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Ein chinesisches und ein deutsches Auge

(German.people.cn)
Dienstag, 12. Juni 2018
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Text von Jasmin Adler, Beijing

Verena Menzel (35), deutsche Redakteurin der chinesischen Zeitschrift China Heute und Gründerin der Website New-chinese.org für Chinesischlerner und Chinabegeisterte beantwortete uns einige Fragen zum Thema des aktuellen Chinabildes in Deutschland und wie man zu einer besseren Verständigung der chinesischen Kultur und Gesellschaft innerhalb der Berichterstattung über China für eine deutsche Leserschaft beitragen könnte.


 
Verena Menzel wirbt für ihre Webseite New-chinese.org, die im Chinesischen Niu Zhongwen heißt. (Foto von New-chinese.org)

People's Daily Online: Frau Menzel, Sie haben ein Studium im Bereich der Publizistik und Vergleichenden Sprachwissenschaft absolviert und können somit sicher einiges über die Bedeutung von Sprache in Bezug auf Kultur sagen. Wie prägt ihrer Meinung nach Sprache unser Denken, unsere Kultur, unsere Identität?

Verena Menzel: Zu diesem Thema fällt mir ein kurzes Gespräch mit meinem Bruder ein, der in einer Firma arbeitet, die kürzlich von Chinesen aufgekauft wurde. Ich bot ihm damals an, seinen deutschen Kollegen von meiner Webseite für Chinesischlerner zu erzählen. Er antwortet mir, dass das Kollegium untereinander auf Englisch kommuniziere. Im Nachhinein stellte ich mir die Frage, ob das für einen gelungenen Kulturaustausch tatsächlich ausreicht. Keine Frage, Englisch ist zu einem weltweit angewandten Verständigungsmittel geworden, doch erreicht man damit auch wirklich die Menschen aus anderen nicht-englischsprachigen Kulturkreisen?

Ich habe chinesische Freunde, die mittlerweile in Deutschland leben und mit denen ich nur auf Deutsch spreche. Es würde sich einfach sehr merkwürdig anfühlen, wenn wir auf einmal versuchen würden, auf Chinesisch zu kommunizieren. Mit anderen chinesischen Freunden, die ebenfalls sehr gut Deutsch sprechen, rede ich hingegen nur Mandarin. Sie wirken auf mich interessanter Weise auch stärker in ihrer chinesischen Kultur verankert, als meine in Deutschland lebenden chinesischen Freunde.

Ein weiteres Beispiel für die Verbindung von Sprache und Kultur ist für mich das chinesische Wort mafan. Ich kann sowohl mich als auch andere ausländische Kollegen dabei beobachten, dass wir während eines auf Deutsch oder Englisch geführten Gesprächs auf den chinesischen Begriff mafan zurückgreifen. Ganz einfach, weil sich dieses Wort nicht so einfach in eine andere Sprachen übersetzen lässt. Zu viel schwingt in diesem Wort mit, das ähnliche deutsche Wörter, wie beispielsweise umständlich oder anstrengend, gar nicht ganz greifen können. Hinter dem Wort mafan steckt ein kulturelles Erfahrungskonzept, das ich und meine Kollegen an diesem Punkt schon übernommen haben. Es ist dieser Erfahrungshorizont, der untere Teil des kulturellen Eisberges, wenn man so will, der zu einem tieferen Verständnis einer anderen Kultur verhilft.

Oder denken wir an den Bereich des maschinellen Übersetzens, also das Übersetzen mittels künstlicher Intelligenz (KI), der immer mehr an Bedeutung gewinnt. Obwohl solche künstlichen Intelligenzen bereits mit einem riesigen Korpus unterschiedlicher sprachlicher Situationen ausgestattet sind, bezieht sich dieser doch bisher meist nur auf textuelles Kontextwissen. Gemeinsames Situationswissen, welches in den einzelnen Kulturen vorhanden ist, fehlt also noch, um eine wirklich gute sprachliche Verständigung zu erreichen. 

People's Daily Online: 2013 haben Sie gemeinsam mit einer chinesischen Freundin eine Webseite für Chinesischlerner entwickelt, New-chinese.org. Wie kam es dazu, dass Sie damals Ihren Fokus auf China und die chinesische Kultur und Sprache gelegt haben?

Verena Menzel: Durch mein damaliges Studium der Vergleichenden Sprachwissenschaften hatte ich bereits ein generelles Interessen für Sprachen. An der chinesischen Sprache interessierte mich anfangs vor allem der phonetische Aspekt, also der Umstand, dass es sich dabei um eine Tonsprache handelt. Ich besuchte daher damals neben meinem regulären Studium zusätzlich noch einen Chinesischkurs und reiste nach einem halben Jahr Sprachenlernen erstmals nach China.

Ich war fasziniert von der Andersartigkeit des Lebens dort und wurde in meinen Gewohnheiten und Überzeugungen ordentlich durchgeschüttelt. Manchmal war mir nicht klar, welche Stellung ich zu manchen Dingen beziehen sollte. Dank meiner Chinesischkenntnisse wurde ich in China gleich ganz anders empfangen als vielleicht jemand ohne Erfahrungen mit der chinesischen Sprache. Allein das Bemühen, sich mit der Landessprache auseinanderzusetzen, wird einem in China sehr hoch angerechnet. Trotzdem habe ich über die Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass man als Ausländer in China immer etwas außen vor bleibt und nie ganz für voll genommen wird. 


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