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Ein Fremder tippelt durch China (1/4) (2)

(German.people.cn)
Donnerstag, 20. Oktober 2016
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Kapitel I: Der Ruf ins Abenteuer

People’s Daily Online: Könntest du dich kurz vorstellen und erzählen, wie es dazu kam, dass du Tischler wurdest?

Ich komme aus Seligenstadt, das liegt ungefähr 30 Kilometer südlich von Frankfurt am Main, ein kleines Örtchen direkt an der bayerischen Grenze, der letzte Zipfel Hessens.

Mit sechs oder sieben Jahren habe ich angefangen, Holzscheite von unserem Brennholzhaufen zu bearbeiten. Ich weiß nicht warum, aber ich habe immer Schiffe gemacht.

Ich glaube, ich bin der einzige, der Holz zum Sinken bringen kann. Die Schiffe sind nie geschwommen. Das war so der Anfang. Als ich neun war, habe ich dann eine Kinderwerkbank bekommen, eine Holzwerkbank mit der man dann wirklich arbeiten konnte.

Ich habe mir dann relativ schnell gedacht: „Mache ich doch eine Lehre!“ Habe dann Praktika gemacht. Alle Ferien habe ich bei der Tischlerei gearbeitet.

Was hat dich zur Walz bewogen?

Ja, ich habe relativ spät angefangen mit der Wanderschaft. Also während der Lehre hatten wir das im Hinterkopf. Man romantisiert das ja auch: Du läufst rum und jeder gibt dir Arbeit und du brauchst nie was bezahlen, wie man sich das so schön vorstellt. So richtig schön naiv. Da war das schon mal auf dem Schirm.

Ich bin direkt nach der Lehre dann nach Kanada gegangen und habe da in einer Zimmerei gearbeitet. Und da hatten wir einen Wandergesellen arbeiten, der Peter. Ich war da 21, bisschen schüchtern noch – richtig schüchtern eigentlich – und das erste Mal in einem fremden Land und der Peter dann: „So ich bin jetzt hier. Hast du Arbeit? Alles klar.“

Dieses Selbstvertrauen, diese Zuversicht! Stellt sich der Typ einfach mit dem Bündel an den Straßenrand, hält den Daumen hoch, hat keine Ahnung, wo er hinfährt, hat keine Ahnung, wo er morgen ist. Das hat mich richtig beeindruckt.

Ich habe für mich gedacht, das wäre auch mein Ding, wenn ich nicht so schüchtern gewesen wäre. Dann bin ich zurück nach Deutschland wegen der Bundeswehr. Ich wollte eigentlich in Kanada bleiben.

Kurz bevor ich 27 geworden bin, habe ich gemeint: „Hey, jetzt musst du noch 40 Jahre arbeiten.“ Und das war so ein Tag, wo wirklich alles schiefgelaufen ist, wo du in den siebten Stock Altbau irgendwelche Säcke hoch schleppen musst, Staub und Dreck und voll mit Kleber und weiß der Geier was.

Und du denkst so: „Über 40 Jahre diesen Mist zu haben, ne! Da muss es irgendwo was anderes geben.“ Kannst ja nicht immer nur buckeln. Dann bist du fertig und dann bist du kaputt, arbeitest du dich kaputt, dann kannst du noch in die Kiste springen, Deckel drauf und gleich weg. Und da dachte ich: „Ne, Schluss, aus!“

Hat dich etwas oder jemand zunächst von der Walz abgehalten?

Na klar, die Eltern wollen lieber Enkelkinder sehen, als Postkarten bekommen. Auch viele Freunde haben gemeint: „Muss das jetzt sein? Willst du nicht lieber die Freundin heiraten und ein Haus bauen?“

Dann hast du wieder andere Leute, die sagen: „Ja, super! Geh raus, mach, schau dir die Welt an!“ Ich glaube, mir ist das relativ schnuppe, wenn Leute sagen: „Das kannst du nicht machen!“ Das ist genau, wenn ich dann sage: „Doch klar, kannst du machen. Macht nur keiner.“ Für mich war das so: Wenn ich es jetzt nicht mache, mit 30 brauche ich nicht mehr anfangen zu tippeln – oder mit 40.

Wie ging es dann richtig los mit der Walz?

Ich habe begonnen, mich in das Thema ein bisschen einzulesen. Wie läuft das überhaupt, was gibt es, welche Schächte und so weiter.

Dann habe ich durch Zufall einen Wandergesellen, Sebastian, gesehen. Der ist bei uns durch den Ort getippelt und da war ich gerade im Auto von der Arbeit. Und dann Handbremse: Krisch!

Habe mich dann kurz unterhalten: „Wie siehst es aus, hast du Lust, mich loszubringen?“ Und er meinte: „Ja okay, aber jetzt nicht.“ Er kommt in zwei Monaten wieder vorbei und ich meinte: „Alles klar, hier ist meine Adresse, meine Telefonnummer. Ich wohne hier direkt um die Ecke.“ Er hat mir dann grob gesagt, was ich bis dahin bereithaben muss und dann habe ich das besorgt.

Dann kam Sebastian an die Tür, wir haben noch ein ordentliches Besäufnis gestartet und dann ging es los.

 

 

Link zum zweiten Teil: <Kapitel II: Die Reise beginnt>

Link zum dritten Teil: <Kapitel III: Im Reich der Mitte>

Link zum vierten Teil: <Kapitel II: Die Reise beginnt>


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