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Ein Fremder tippelt durch China (4/4)

(German.people.cn)
Freitag, 11. November 2016
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Link zum ersten Teil: <Kapitel I: Der Ruf ins Abenteuer>

Link zum zweiten Teil: <Kapitel II: Die Reise beginnt>

Link zum dritten Teil: <Kapitel III: Im Reich der Mitte>

Kapitel IV: Wanderung und Verwandlung

People’s Daily Online: Dein ganzer jetziger Besitz ist deine Kleidung und dein Bündel. Würdest du manchmal gern mehr mitnehmen, als du kannst?

Ich würde eigentlich am liebsten ohne Bündel reisen. Ich weiß aber, dass ich es einfach brauche. Es gibt so viel, wo du denkst: „Brauche ich das wirklich?“

Aber du weißt nie, ob du es nicht an der nächsten Ecke brauchst. Du überlegst dir wirklich über jedes bisschen: „Kann ich es wegschmeißen oder kann es jemanden geben? Kann ich es hier lassen? Wie wichtig ist mir das? Komme ich irgendwo drum rum?“

Hast du das vor der Abreise auch für deine alten Sachen in Deutschland gemacht?

Habe eigentlich ziemlich gut ausgemistet, glaube ich, bevor ich los bin. Ich habe eigentlich nicht mehr viel. Die paar Sachen, die ich habe, sind bei meinen Eltern auf dem Dachboden. Bei vielen Sachen habe ich gesagt: „Das muss weg!“ Mein Motorrad ist aber noch zuhause, da konnte ich mich nicht von trennen.

Gibt es denn gar nichts, was du von deinen Reisen mitnimmst?

Ich schnitze Holzlöffel. Da probiere ich immer lokale Hölzer zu benutzen. Wenn ich irgendwo länger bin, schnitze ich einen Löffel und schicke den nachhause. Mit dem Gedanken, wenn ich dann irgendwann nachhause komme und habe meine eigene Küche, kann ich die irgendwo aufhängen und habe dann diese ganzen verschiedenen Löffel, unterschiedliche Hölzer und weiß, wo die herkommen.

Ich mag es relativ schlicht, aber doch irgendwie elegant. Wenn das Holz für sich sprechen kann, dann ist das eigentlich das Beste, was du machen kannst.

Du gibst also an jedem neuen Ort den sprichwörtlichen Löffel ab. Hast du hier schon einen Löffel fertiggestellt?

Normalerweise ergibt sich irgendwas. Meistens kommt das Holz zu dir. Von China habe ich jetzt noch keinen.

In Tonga habe ich bestimmt vier, fünf Wochen nach einem gescheiten Stück Holz gesucht und dann bin ich auf diese Resort-Insel zum Arbeiten für eine Woche. Und dann habe ich einen Abschnitt gehabt: Kokosholz. Das war genau die Größe, die ich brauchte. Dann habe ich den nachhause geschickt.

Das Wanderbuch von Daniel Sattler und eine Kalligraphie seines chinesischen Namens „Fu Dansi“, was man sehr frei als „Denk-Rot Segen“ übersetzen könnte.

Wie stellt du dir das Leben zurück in Deutschland vor?

Das wird wahrscheinlich schön sein in Deutschland, wenn du einfach mal deine eigene Tür zumachen kannst und wieder richtig laut Musik hören kannst. Auf der einen Seite wird es auch komisch sein, wieder eine Wahl zu haben zwischen Kleidungsstücken.

Die ersten zwei Wochen freut man sich einfach nur wie Bolle, dass es wieder Kartoffelsalat gibt und Brötchen und Brot – ich habe teilweise in Neuseeland fantasiert über ein Laugenbrötchen mit Käse –, dass du deine Kumpels hast, dass du wieder in deiner Stammkneipe bist an deinem Platz und einfach für eine Zeit lang auch nicht denken musst: „Was ist jetzt morgen? Wo schlafe ich? Was mache ich? An was muss ich jetzt denken, damit ich es in drei Wochen habe, damit ich es in sechs Wochen benutzen kann?“ Ich brauche mich um nichts zu kümmern. Es ist alles so herrlich eingeschliffen.

Auf der anderen Seite ist es genau auch das, was einem nach zwei Wochen oder einem Monat dann zum Hals raushängt: „Hier passiert ja überhaupt nichts!“

Hast du auf deiner Wanderschaft Menschen kennengelernt, zu denen es dich immer noch hinzieht oder die du gern in Deutschland wiedertreffen würdest?

Wir hatten ein kurzes Intermezzo mit einem deutschen Mädel in Melbourne. Wir sind uns dann quasi immer hinterher gereist, haben uns immer wieder mal getroffen. Das war ein super nettes Mädel.

Aber ich habe so ein bisschen das Problem, dass die meisten Backpacker, die man trifft, sind – sagen wir mal – zwischen 18 und 22. Und ich weiß nicht, ich habe so ein bisschen Probleme, mich mit denen zu vernetzen. Sei es, weil ich meine Hand nicht ans Handy geklebt habe oder dass – ich bin jetzt 29 – diese sieben Jahre Lebenserfahrung da einen Unterschied machen. Man weiß eher, was man will.

Wie wird sich dein Leben zurück in Deutschland ändern mit den Erfahrungen, die du auf der Wanderschaft gemacht hast?

Ich denke, mein Lebensstil wird sich ändern. Die Zeit mit diesen Hippies [auf dem „Burning Seed“-Festival in Australien], da lernt man sehr viel, was man wirklich machen kann, was auch von einem umweltbewussten Standpunkt aus viel besser ist.

Ich bin momentan auch daran, mein eigenes Haus zu designen. Das wird auch die Sache sein, wo ich so die nächsten Jahre mehr oder weniger dran bin. Ob nun in Deutschland oder irgendwo anders, kann ich jetzt so nicht sagen.

Würdest du sagen, dass du dich jetzt nach so langer Zeit im Ausland deutscher oder europäischer fühlst? Oder siehst du dich mittlerweile vor allem als Handwerker?

Ich würde sagen, ich schätze die Eigenschaften der Deutschen jetzt wesentlich mehr als zuvor. Vorher habe ich gedacht, das ist alles so spießbürgerlich: „Was sagen denn die Nachbarn? Unser Rasen ist grüner!“

Wir sind ein bisschen wie die Chinesen teilweise, dass wir betriebsam sind, also wir wollen was aufbauen. Gib einem Deutschen zwei Stücke Holz und er fängt an, ein Geschäft aufzubauen. So ungefähr sind auch die Chinesen.

Wenn man das so sieht, merkt man schon, wo die eigenen Wurzeln sind und was für ein Typ man selber ist. Einige Leute, die vielleicht reisen, sagen dann: „Deutschland ist nicht meine Identität.“ Die finden sie dann irgendwo anders und passen da gut rein.

Für mich ist es aber eher so, dass ich sage: Ich habe diese Eigenschaften, die den Deutschen ein bisschen angehängt werden, zumindest zu einem gewissen Grad. Ob ich mich jetzt deutscher fühle? Wahrscheinlich nicht. Nicht deutscher, nicht europäischer. Ich würde sagen, es ist definierter, was ich denke, wer ich bin.

Noch bist du Fremder. Nach Ende der Walz und zurück im Heimatort bezeichnen sich Wandergesellen als Einheimische. Könntest du dazu etwas sagen?

Im Prinzip heißt es so viel: Wenn du einheimisch bist, hast du deine Wanderschaft abgehakt. Dann bist du fertig.

Aber du wärst auch Einheimischer, wenn du zurückgekommen bist an deinen Heimatort in Deutschland und dann gesagt hast: „Deutschland kriege ich nicht in meinen Kopf, ich ziehe nach Kanada oder hier her.“ Dann bist du trotzdem noch einheimisch.

Ich bin dann generell Einheimischer, egal wo ich hingehe.

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