Geschichten aus Hotan: Tradition, Religion und Innovation

Hotan ist ein Ort solcher Schönheit, dass er in der uigurischen Literatur und in uigurischen Volksliedern als weiblich beschrieben wird - als eine Gottheit mit unvergleichlicher Ausstrahlung und eine Frau von irdischer Schönheit. Hotan ist eine hybride Stadt mit einer Architektur und Bevölkerung, die sich nicht in enge religiöse, ethnische oder kulturelle Kategorisierungen einteilen lässt.

Der beste Weg diese Stadt treffend zu beschreiben und ihre beeindruckende Multikulturalität und Entwicklung als Resultat einer Koexistenz von Tradition und Innovation aufzuzeigen, ist durch das Leben der Männer und Frauen, der Künstler und Händler, der Imame und Wissenschaftler sowie der Familien, die Hotan geformt haben.

Tradition: Geschichten eines alten uigurischen Stadtviertels

An einer Tasse Tee nippend sitzt der 68-jährige Memtimin Ghopur auf der Veranda seines 200 Jahre alten Hauses. Er wurde in eine Familie von Ärzten geboren, die über acht Generationen das medizinische Wissen über die traditionelle uigurische Medizin weitervererbt haben. Im ersten Stock seines Hauses sind nach wie vor allerlei uigurische Medikamente auf den Verkaufstischen ausgestellt.

Memtimin lebt in Tuancheng, einem ehemals heruntergekommenen Wohngebiet, das 2016 von der Regierung renoviert wurde und zur beliebtesten Fußgängerzone Hotans geworden ist. Sein Geburtshaus ist eine berühmte Sehenswürdigkeit in der Fußgängerzone, die unzählige Besucher und Patienten anzieht.

Als Arzt für traditionelle uigurische Medizin meint Memtimin, dass immer mehr Patienten sich der modernen Medizin und fortgeschrittenen Technologien zuwenden würden. Er aber glaube, die traditionelle Behandlungsmethode sei auch weiterhin als Träger der uigurischen Kultur und Geschichte seiner Familie von großer Bedeutung.

„Solange es Patienten gibt, die meine Hilfe brauchen, werde ich alles tun, was ich kann. Mein Sohn ist nun auch Spezialist für uigurische Medizin und wird die traditionelle Behandlung weiter fortsetzen“, sagte Memtimin.

Einige Häuser weiter ist die 42-jährige Tunsahan Abdugheni mit Kunden in ihrem Laden beschäftigt. Die farbenfrohe und weiche Etles-Seide wird zur Herstellung traditioneller uigurischer Kleidung benutzt und ist eine Spezialität aus Hotan.

„Ich liebe schöne Dinge und ich liebe es, glückliche Kunden in unseren Seidenkleidern zu sehen. Es freut mich, dass unsere Tradition von so vielen Menschen geschätzt wird, nicht nur von den Uiguren selbst“, sagte Tunsahan. Wie Memtimin lebt auch Tunsahan schon ihr ganzes Leben lang in Tuancheng. Im Jahr 2018 sind Tunsahan, ihre Mutter, die drei Brüder und deren Familien in ihr renoviertes Haus eingezogen. Tunsahan hat im ersten Stock ihr Seidengeschäft eröffnet und verdient nun ein monatliches Einkommen von über 4.000 Yuan. Ihr zufolge werden die uigurische Tradition und Kultur in ihrem Wohnviertel gut erhalten. Auch jetzt noch halten sie und ihre Nachbarn die alten Traditionen am Leben und laden sich gegenseitig zum Abendessen ein, um gemeinsam leckere Speisen zu genießen und ein wenig zu plaudern.