von Huang Mengmeng, Beijing
Dr. h.c. Otto Schily, der ehemalige Innenminister der Bundesrepublik Deutschland während der Schröder-Regierung (von 1998 bis 2005), begrüßt die Seidenstraßen-Initiative. Gleichzeitig erörtert er Gründe für Zurückhaltung auf der europäischen Seite gegenüber dieser Initiative.
Dr. h.c. Otto Schily, der ehemalige Innenminister der Bundesrepublik Deutschland (Archivfoto)
China.org.cn: Herr Schily, die Seidenstraßen-Initiative wurde vor vier Jahren bekanntgegeben. Wie beurteilen Sie diese Initiative?
Otto Schily: Die Seidenstraßen-Initiative ist ein Jahrhundertprojekt von historischer Bedeutung. Der Name „Seidenstraßen-Initiative“ ist sehr klug gewählt, eben im historischen Rückblick, denn überall, wo die Seidenstraße verlief, gab es interessante wirtschaftliche Entwicklungen. Das kann man jetzt übertragen auf die heutige Situation, in der ganz andere Konditionen bestehen, eben in der Zeit des Zusammenwachsens der Kontinente und in der auch durch die moderne Kommunikationstechnik die Bedingungen natürlich anders zu beurteilen sind. Es kann sich aber in der Tat ein ähnlicher Prozess unter anderen Bedingungen vollziehen. Diese Initiative eröffnet der Wirtschaft in allen beteiligten Ländern vielversprechende Perspektiven in großen Dimensionen und die engere wirtschaftliche Zusammenarbeit wird auch der politischen Stabilisierung dienen.
Was bedeutet die Seidenstraßen-Initiative für Deutschland und die Europäische Union? Welche Kooperationschancen können sich zwischen Europa und China im Rahmen dieser Initiative entwickeln?
Die Politik und die Wirtschaft in Deutschland interessieren sich sehr für diese Initiative, das kann man aus verschiedenen Verlautbarungen erkennen. An dem „Belt and Road“-Forum für internationale Kooperation in Beijing vor einigen Wochen nahm mit der Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries eine hochrangige Vertreterin der deutschen Bundesregierung teil. Aber zu erwähnen ist auch, dass die Bundesregierung sich mit rund vier Milliarden Euro an der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) beteiligt hat. Dieses große finanzielle Engagement zeigt die hohe Bedeutung dieser Initiative für Deutschland.
In dem „White Paper on the future of Europe: Avenues for unity for the EU at 27” hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mehrere Szenarien für die Zukunft der europäischen Integration entworfen. Voraussichtlich Ende des Jahres wird er in einer „Rede zur Lage der Union“ Details nennen, wie die künftige Entwicklung der EU aussehen wird.
Die Seidenstraßen-Initiative spielt auch für die Weiterentwicklung der EU eine bedeutende Rolle. Diese Initiative kann zur Belebung der Wirtschaft in Europa beitragen. Die EU sollte nicht vergessen, dass einige Länder, die mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, zum Beispiel Griechenland, von der Seidenstraßen-Initiative profitieren können. Das gilt auch für Italien und andere schwache Länder in der EU. Ich möchte hier diese Chance betonen.
In den europäischen Ländern gibt es unterschiedliche Haltungen über die Seidenstraßen-Initiative. Es gibt innerhalb der EU Zweifel hinsichtlich dieser Initiative. Welche politischen und wirtschaftlichen Gründe gibt es für solche Skepsis und Zurückhaltung?
Es gibt sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch Skepsis und Zurückhaltung gegenüber dieser Initiative. Es geht darum, ob die jeweiligen Interessen gleichberechtigt berücksichtigt werden. Nach meiner Einschätzung würde es dieser Initiative sicherlich nutzen, wenn China und die Europäische Union bei der Projektierung nicht mit vielen unterschiedlichen Formaten arbeiten, sonst können Verwerfungen entstehen, und es kann auch Koordinationsprobleme geben.