Branchenkenner bestätigen diese Tendenz. So hätten sich bereits Vermittlungsorgane etabliert, die sich eigens der „Aufgabenteilung" zwischen Ärzten und Zeitschriftenverlagen widmeten. Da Maklergebühren für Veröffentlichungen in medizinischen Fachzeitschriften anfielen, rücke der kommerzielle Nutzen zunehmend in den Vordergrund.
Dies stößt unter Experten einerseits auf Kritik. Schließlich hätten sich im Idealfall medizinische Forschung und die praktische Arbeit zu ergänzen; es sei die Pflicht der Ärzte, klinische Erfahrungen schriftlich zusammenzufassen. Andererseits wird jedoch auch die Überforderung der Ärzte zur Kenntnis genommen. Insbesondere bei der Arbeit in größeren Krankenhäusern blieben kaum Kapazitäten für Forschung und Veröffentlichungen. Bei aktiver Veröffentlichungsarbeit eines Arztes komme die praktische Arbeit oftmals zu kurz, so dass die Kluft zwischen Arzt und Patient immer weiter werde.
Durch wissenschaftliche Arbeit erworbene Titel sagen daher nur wenig über die tatsächlichen Fähigkeiten im klinischen Bereich aus. Zahlreiche praktisch orientierte Ärzte sehen sich stark benachteiligt. Ein stellvertretender Chefarzt der inneren Medizin stellt fest: „Einige Kollegen, deren praktische Kompetenzen keineswegs höher anzusetzen sind, haben durch ihre Veröffentlichungen hochgradige Titel erhalten. Das gibt mir ein ungutes Gefühl. Unsereins hat Jahrzehnte lang im klinischen Bereich gearbeitet und bleibt bis zur Rente nur der stellvertretende Chefarzt. Da uns keine Zeit zum Schreiben bleibt und wir auch keine Ghostwriter beauftragen möchten, bewegen wir uns zeitlebens im unteren Bereich akademischer Titel. Das ist schon bitter."
Durch diesen Zwiespalt zwischen Praxis und Wissenschaft sehen Experten daher die mit den medizinischen Reformen eingeführten Bewertungskriterien von Ärzten nicht mehr als geeignet an. Es müsse stärkeres Gewicht auf die klinische Praxis und die Sicherheit der Behandlungen gelegt und auf diesem Weg ein praktisch orientiertes Bewertungssystem für Ärzte etabliert werden.
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