Heiße Diskussionen auf Chinas Microblogging-Website Weibo eröffnen einen Einblick in die sich ändernde Einstellung der jungen Chinesen gegenüber der Heirat.
China wird häufig als Land mit traditionellen Vorstellungen missverstanden. Eine laufende Diskussion auf Chinas größter Blogsite Weibo, in der junge Chinesen ihre Meinung über das Heiraten austauschen, lässt allerdings auf eine große kulturelle Veränderung schließen. Zumindest wenn man Chinas Blogsphäre Glauben schenkt.
Seit Montagmorgen ist die Frage „Warum heiraten?“ ein heiß diskutiertes laufendes Thema. Die Ansichten über die Frage reichen von Befürwortern des Heiratskonzepts, das in Büchern und Filmen verbreitet wird – Heirat aus Liebe, Verbundenheit und Leidenschaft – bis hin zu Beiträgen von Bloggern, die weit weniger bereit zur Heirat sind oder von solchen, die sich gar keinen Grund vorstellen können, warum man überhaupt heiraten sollte.
Eine verheiratete Bloggerin aus Hubei schrieb, dass sie vor ihrer Heirat dachte, Heiraten sei etwas Heiliges und Besonderes, aber scherzte, dass sie nach ihrer Heirat aufgewacht sei und ihr klar wurde, dass ihr Leben vorbei sei. Ein anderer Blogger mit einer ähnlichen Perspektive schreibt: „Man kann viele Ehepaare sehen, die streiten und aufeinander herabsehen. Warum soll man also überhaupt heiraten?“
Es ist schwierig zu entscheiden, ob diese Zitate sich einfach nur über alte kulturelle Normen lustig machen oder ob wir Zeuge des Wachstums neuer und negativer Gefühle gegenüber der Institution Heirat selbst werden. Sicherlich sind viele dieser Blogger nicht zu solchen Extremen gegangen, doch sie haben das Gefühl ausgedrückt, dass sie ganz einfach nicht daran interessiert sind, an der Seite von jemand anders zu sein – zumindest nicht für immer.
Doch zu den Kommentaren, in denen Argumente gegen das Heiraten vorgebracht werden, kam eine andere Meinung, die die chinesischen kulturellen Traditionen reflektiert: Das betraf die Rolle der Eltern. Eltern und ältere Familienmitglieder werden häufig als traditionelle Triebkraft hinter der Heirat angesehen. Selbst mit der wachsenden Unabhängigkeit, die durch das Studieren oder das Arbeiten in einer entfernten Stadt kommt, gerät die Jugend durch ihre Familie unter Druck zu heiraten.
Eine Bloggerin Anfang zwanzig scherzt über das Thema zum chinesischen Neujahr. Für sie ist das die Zeit, zu der junge Leute in die Ehe getrieben oder dazu überredet werden. Zum chinesischen Neujahr kommen entfernt wohnende Familienmitglieder zu seltenen Familientreffen zusammen, doch die Zeit wird weithin von vielen Chinesen in ihren Zwanzigern als verdrießlich bezeichnet, da sie dann immer nur von ihren Verwandten mit der Frage bedrängt werden: „Warum bist Du noch nicht verheiratet?“
Auch wenn viele Leute nicht den Wunsch nach Heirat zeigten oder keine Gründe dafür fanden, zu heiraten, gab es genauso viele Menschen, die auf die uralte Frage „Warum heiraten?“ nur mit einem einzigen Wort antworteten: 'Liebe'. Dieses Spektrum an Meinungen von jungen Weibo-Nutzern mag eine völlige Veränderung in der Einstellung der Chinesen zur Heirat reflektieren