In einem schriftlichen Interview mit People’s Daily Online interpretierte Prof. Dr. Jiang Feng, Senatsvorsitzender der Shanghai International Studies University, die innere Verbindung der Belt and Road Initiative (kurz: BRI) mit dem alten chinesischen Traum von großer Harmonie unter dem Himmel. Auch auf die Frage bezüglich der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit im Rahmen der Initiative hat sich der Professor geäußert.
Prof. Dr. Jiang Feng, Senatsvorsitzender der Shanghai International Studies University. (Foto von SISU)
Die seit mehr als sechs Jahren vorgeschlagene Belt and Road Initiative ist heute die weltweit größte Plattform für internationale Zusammenarbeit. Warum ist sie Ihrer Meinung nach allgemein anerkannt?
Die Initiative „Neue Seidenstraße“ Chinas findet in der Tat zunehmend Anerkennung in der ganzen Welt. Die Ausnahme bilden einige Länder, die die Initiative zwar nicht vertraglich anerkannt haben, aber in deren Rahmen de facto in vielen Bereichen mit China zusammenarbeiten. Dazu gehören beispielsweise einige Länder in Westeuropa. Die neue Initiative Chinas bietet vor allem Unternehmen neue Chancen. Meiner Ansicht nach bietet sie insgesamt große Potentiale und Möglichkeiten für weltweit vernetzte Ideen und konkrete Projekte, auch für westeuropäische Länder – mit oder ohne Vertragsunterzeichnung. Soviel ich weiß, hat sich Deutschland zwar nicht vertraglich verpflichtet, aber in vielerlei Hinsicht doch sehr gute, erfolgsversprechende Kooperationsprojekte mit China durchgeführt. Für mich gilt beispielsweise die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit im Rahmen der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB) als Best-Practice.
Das heißt, die Initiative „Neue Seidenstraße“ ist in ihrem Wesen nicht für einseitige, egoistische, geopolitische Interessen konzipiert, nach Eigeninteressen ausgerichtet und vom Konkurrenzdenken geprägt, was in der alten klassischen Theorie der internationalen Beziehungen fast immer gepredigt wird. Die Initiative „Neue Seidenstraße“ ist ein aufgeschlossenes Ideenprojekt und dient dem Gemeinwohl. Es handelt sich dabei um eine neue Philosophie in den internationalen Beziehungen, wonach man nicht aus reiner ego-geopolitischer Sicht Ideen schmiedet, die in der Regel lediglich aus Eigeninteresse oder aus Interesse einer Allianz erdacht worden sind.
Das Konzept der Neuen Seidenstraße ist offen, allianzfrei und gemeinwohlorientiert. Diese Ansätze der Neuen Seidenstraße haben mit der chinesischen Kultur zu tun. In der tiefen Seele der altchinesischen Kultur ist es das höchste Ziel, große Harmonie unter dem Himmel („天下大同“) zu verwirklichen, nicht so wie in manchen Kulturen, in denen Konkurrenzdenken eine zentrale Rolle spielt und Machtbalance mit Hilfe der eigenen Machtpolitik angestrebt wird.
Die Umsetzung der Belt and Road Initiative hat neue Möglichkeiten für den internationalen Handel geschaffen. Auch die China-Europa-Güterzüge entwickeln sich ständig weiter. Welche neuen Möglichkeiten haben diese Verbindungen für die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und der EU eröffnet? Wie hat sich das auf die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und Deutschland ausgewirkt?
Chinas Philosophie ist keine Phrase mit leerem Inhalt. Dank der wirtschaftlichen Entwicklung mit hohem Wachstum ist China gut in der Lage, einen konkreten Beitrag zu leisten. Dazu gehört eben die Initiative „Neue Seidenstraße“, für deren Umsetzung verschiedene Maßnahmen ergriffen worden sind. Ein Beispiel sind die Bahnverbindungen zwischen China und Europa. Seit 2011 haben knapp 70 Linien mehr als 60 chinesische Städte mit etwa 50 Städten in 15 europäischen Ländern verbunden. Die Fahrten haben in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Die Statistik zeigt, dass in der ersten Hälfte dieses Jahres bereits mehr als 15.000 Fahrten registriert wurden. Das ist eine beispiellose Entwicklung in der Geschichte der Menschheit.
Der Universalgelehrte Leibniz hat im 17. Jahrhundert schon davon geträumt, dass sich die beiden Enden des eurasischen Kontinents die Hände reichen, um zum Gemeinwohl beizutragen. Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass sich China und Europa nach Leibniz Auffassung zusammentun sollten, um die anderen Völker zu zivilisieren. Dieser Ansatz klingt heute jedoch kulturchauvinistisch. Im Gegensatz dazu strebt China danach, eine langfristige gleichberechtige Zusammenarbeit unter gleichberechtigten Partnern zu verwirklichen. China geht davon aus, dass die Menschheit heute mehr denn je ein gemeinsames Schicksal teilt, da wir aufgrund der digitalen Globalisierung und auch wegen des Klimawandels mit vielen Herausforderungen gleichermaßen konfrontiert sind, ganz egal aus welchem Land oder Kulturkreis wir kommen. Bezüglich der Bahnverbindungen zwischen China und Europa kann man sagen, dass Menschen an beiden Enden des Kontinents zusammengekommen sind, was für mich eine positive Entwicklung darstellt, nicht nur für Wirtschaftsbeziehungen, sondern für die Beziehungen allgemein. Das ist eben ein Ausdruck dafür, ein gemeinsames Schicksal zu teilen.
Die Bahnverbindungen zwischen China und Europa haben inzwischen auch einige Probleme aufgezeigt, beispielsweise übermäßige Abhängigkeit von Subventionen seitens der Regierung und fehlende Koordinierungen. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Bahnverkehrs zwischen China und Europa und dessen bestehende Probleme?
Ich meine, dass Probleme wie Subventionen seitens der Regierung oder fehlende Koordinierungen zu Recht zu bemängeln sind. Andererseits möchte ich betonen, dass aller Anfang schwer ist. Dieses große Projekt ist eine historische Erneuerung und jede neue Idee braucht Zeit, um sich zu realisieren. Es ist ein Prozess und man kann nicht erwarten, dass die Idee bereits am Anfang schon ein Riesenerfolg wird. Man muss die Sache im Prozess verstehen. Ich bin Pädagoge und in der Pädagogik begrüßt man nicht nur Erfolge, sondern auch Fehler, da man erst aus Fehlern lernt. Oder wie man im Westen sagt, aus Fehlern wird man klug. Die kritischen Stimmen, die deutlich in China zu hören sind, zeigen, dass sich die Chinesen problembewusster damit auseinandersetzen und hoffen, dass sich die Bahnverbindungen verbessern und in Zukunft auch ohne oder mit wenigen Subventionen von der Regierung wirtschaftlich betrieben werden können. Trotzdem bin ich der Ansicht, dass man Probleme zu Anfang einer neuen Entwicklung tolerieren sollte. Man muss jeder neuen Idee und jedem neuen Projekt gewisse Hilfeleistungen anbieten. Das möchte ich wieder mit dem Heranwachsen eines kleinen Kindes vergleichen. Bevor das Kind auf eigene Faust etwas unternehmen kann, muss ihm intensiv geholfen werden. Darum sehe ich die Unzulänglichkeiten mit großer Gelassenheit.
Einige westliche Medien bezeichnen die Belt and Road Initiative Chinas als „Chinas Schuldenfalle“ oder als „Chinas geopolitische Taktik“. Wie stehen Sie solchen Behauptungen gegenüber?
Ich habe auch ab und zu Bedenken aus Europa gehört: China strebe mit der Initiative „Neue Seidenstraße“ geopolitische Ziele an und wolle europäische Länder, vor allem EU-Mitgliedsstaaten gegeneinander ausspielen. Ich kann diese Bedenken bzw. ängstliche Vorstellungen eigentlich gut nachvollziehen. Denn in der Geschichte hat es nur selten ein Projekt in dieser Dimension außerhalb Europas bzw. außerhalb des Westens gegeben. Es ist dem Westen fremd, dass so etwas anderswo in der Welt entstehen könnte, weshalb man Unsicherheitsgefühle hat.
Die Behauptung, dass China damit Europa gegeneinander ausspielen wolle, ist meiner Ansicht nach eher eine Übertreibung oder eine unbegründete Unterstellung. Europa ist für China kulturell, wirtschaftlich und politisch sehr wichtig. Eine integrierte EU bedeutet für China nicht zuletzt einen großen stabilen Markt. Es ist allgemein verständlich, dass ein großer integrierter Markt für global orientierte Volkswirtschaften vorteilhaft ist. Die Fragmentierung des Marktes kommt weder Europa noch China zugute.
Der einheitliche Markt der EU ist für China als größter Auslandsmarkt von strategischer Bedeutung. Warum sollte China denn eine Zersplitterung Europas beabsichtigen? Das ist unlogisch.
Aktuell haben die meisten EU-Länder, bis auf Italien, keine Absichtserklärung über die Belt and Road Initiative unterzeichnet. Was ist Ihrer Meinung nach der Hauptgrund dafür? Wie soll Europa in Zukunft aktiver beteiligt werden?
Wie ich oben bereits erwähnt habe, sind die meisten EU-Länder eigentlich schon an der Initiative „Neue Seidenstraße“ beteiligt, mit oder ohne vertragliche Verpflichtung. Deutschland hat zwar keine Verträge unterzeichnet, aber das heißt bei weitem nicht, dass Deutschland kein Interesse hat. Viele deutsche Politiker und Unternehmer haben großes Interesse ausgesprochen und sich mit großem Engagement dafür eingesetzt. Die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit im Rahmen der AIIB möchte ich in diesem Kontext nochmal als großen nachhaltigen Erfolg bezeichnen. Außerdem ist allen bekannt, dass chinesische und deutsche Unternehmen sehr eng miteinander zusammenarbeiten. Sie erschließen gemeinsam Märkte, Technologien, Produkte und Systeme.
Wenn Sie vor dem Hintergrund der chinesischen Außenpolitik seit 1949 das Konzept der Neuen Seidenstraße betrachten, wie beurteilen Sie die Veränderungen in Chinas Außenpolitik und Chinas Beziehungen zur Welt?
In der Vergangenheit hat China viel von anderen Ländern gelernt. Diese sogenannte „Lernkultur“ hat China jahrhundertelang geprägt. In jüngster Vergangenheit hat sich China wirtschaftlich gut entwickelt und ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt geworden. Vor diesem Hintergrund ist sich China der Verantwortung, die damit gewachsen ist, bewusster.
Andere Länder erwarten von China auch, mehr Verantwortung für das Wachstum der Weltwirtschaft zu übernehmen. China soll mehr tun und habe mehr zum gemeinsamen Wohlstand der Menschheit und zu Frieden in der Welt beizutragen. Das muss durch Projekte realisiert werden. Die Initiative „Neue Seidenstraße“ ist eines davon. Wie gesagt, sie basiert auf den traditionellen Wurzeln des chinesischen Ideals für große Harmonie unter dem Himmel. Das ist ein großer Traum der Chinesen. Die Initiative „Neue Seidenstraße“ ist ein moderner Ausdruck des alten traditionellen Traums, in dessen Sinne China mit anderen Ländern der Welt kommuniziert und zusammenarbeitet.
Die Redaktion bedankt sich für die freundliche Unterstützung von Prof. Dr. Chen Hongyan der Shanghai International Studies University.
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