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Chinesische Eltern im Nexus der Zwei-Kinder-Politik

(German.people.cn)
Freitag, 03. November 2017
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Viele Eltern wünschen sich Gesellschaft für ihr Erstgeborenes. [Foto: Staatliche Kommission für Gesundheitswesen und Familienplanung]

Immer mehr verheiratete Paare machen von der neuen Geburtenregelung Gebrauch, die 40 Jahren strikter Ein-Kind-Politik ein Ende gesetzt hat. Die flächendeckende Zwei-Kinder-Politik trat am 1. Januar 2016 in Kraft und ermöglicht etwa 90 Millionen Paaren ein zweites Kind.

Über 17 Millionen Geburten im Jahr 2016

Die Staatliche Kommission für Gesundheitswesen und Familienplanung berichtet, dass die Zahl der Geburten im Jahr 2016 auf fast 18 Millionen gestiegen ist, der höchste Stand seit 2000 und 11,5 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Mehr als 45 Prozent der Kinder wurden in Familien mit bereits einem Kind geboren, 15 Prozent mehr als 2013.

Die bisherige Ein-Kind-Politik hatte die Geburt eines zweiten Kindes nicht grundsätzlich verboten. Abhängig von der ethnischen Zugehörigkeit, Wohnort, Familienkonstellation etc. durften Paare zwei oder sogar mehr Kinder haben, erklärt Yang Juhua, Professorin für Bevölkerungswissenschaften am Zentrum für Bevölkerungs- und Entwicklungsforschung der Renmin-Universität in Beijing.

Bei Frauen kommt die neue Geburtenregelung gut an. „Die Regierung ermutigt Paare ein zweites Kind zu haben, indem sie familienfreundliche Politik macht und bei der Kinderbetreuung unterstützt, zum Beispiel in Form von Säuglingsheimen und Kindergärten für Kinder unter drei Jahren”, so Prof. Yang weiter.

Optionen mit Bedacht abwägen

Allerdings zeigt eine Erhebung, die im Dezember 2016 von der All-Chinesischen Frauenvereinigung und dem Staatlichen Innovationszentrum für Qualitätssicherung im Bildungswesen veröffentlicht wurde, dass chinaweit von 10.300 Familien mit einem 15-jährigen Kind 53,3 Prozent kein zweites Kind haben wollen. Nur 20,5 Prozent äußerten einen solchen Wunsch, 26,2 Prozent waren unentschlossen. Eltern aus besser entwickelten Regionen und Städten wollen generell weniger Kinder.

Zu den Faktoren, die den Wunsch nach einem zweiten Kind entscheidend beeinflussen, gehören die Verfügbarkeit von staatlichen Leistungen in den Bereichen Bildung und Gesundheit, außerdem die eigene Gesundheit und die aktuellen Lebensumstände. Andere Faktoren sind die Verfügbarkeit von Kindergärten und Grundschulen sowie die Qualität von Säuglingsprodukten. Viele Eltern möchten ein zweites Kind, weil sie der Meinung sind, dass Kinder der Familie Freude bringen. Außerdem sehen viele im zweiten Kind einen Gefährten für ihr Erstgeborenes.

Yang erklärt, dass Kindererziehung für viele Städter eine erhebliche finanzielle Belastung sei. Das gelte besonders für erwerbstätige Frauen. Außerdem büßen Frauen auch Aufstiegschancen ein, weil Kindererziehung ihre berufliche Entwicklung hindre. Laut Yang wurde die Zwei-Kinder-Politik eingeführt, weil die Ein-Kind-Politik nur von den 1980ern bis in die 1990er dauern sollte. Außerdem sah man sich angesichts der alternden Bevölkerung gezwungen einen neuen Kurs einzuschlagen.

Der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren hat sich auch verringert, wodurch nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigt wird, so Yang weiter.

Im Jahr 2015 wollte die Staatliche Kommission für Gesundheitswesen und Familienplanung mit einer Befragung herausfinden, warum Eltern sich kein zweites Kind wünschen. Fast drei Viertel der Befragten gaben finanzielle Belastung an, 61,5 Prozent nannten auch den mit Kindererziehung verbundenen Aufwand, 60,5 Prozent nannten den Mangel an Betreuungseinrichtungen. Immer mehr Eltern sind auf ihre Eltern im Ruhestand angewiesen, die während der Arbeit auf die Kinder aufpassen.

Steigende Kosten

Weil die Zahl der Schwangerschaften seit Einführung der Zwei-Kinder-Politik in die Höhe gegangen ist, sind Krankenhausplätze für pränatale Untersuchungen und Entbindungen immer schwerer zu bekommen, berichtete China Daily in diesem Jahr. Die neue Regelung beeinflusst auch den Markt. Die monatlichen Kosten für eine Amme sind auf 5.000 Yuan gestiegen, doppelt so viel wie noch fünf Jahre zuvor. Die monatlichen Kosten für bilinguale Kindergärten, in denen Englisch und Chinesisch gesprochen wird, sind in derselben Zeit von 4.0000 auf 6.5000 RMB gestiegen, wobei China Daily auch darauf hinwies, dass öffentliche Kindergärten günstiger seien.

Wer ein zweites Kind will, muss viele Faktoren berücksichtigen. [Foto: Staatliche Kommission für Gesundheitswesen und Familienplanung]

Die Pressesprecherin für die Fünfte Tagung des Nationalen Volkskongresses Fu Ying erklärte schon vor einiger Zeit, man müsse mit entsprechenden politischen Ansätzen und Dienstleistungen auf den im Zuge der Zwei-Kinder-Politik steigenden Bedarf antworten. Laut Yang Wenzhuang, Divisionsleiterin der Staatlichen Kommission für Gesundheitswesen und Familienplanung, wolle die Regierung bessere Politik in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Soziales und Finanzen machen und Kinderbetreuungseinrichtungen erweitern, um die Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsplatz sicherzustellen und ihnen die Freistellung von der Kinderbetreuung zu ermöglichen.

Die Zahl der Schwangerschaften im erhöhten Alter ist auch gestiegen. Laut Liang Haiyan, Chefarzt in der Gynäkologie des China-Japan Friendship Hospital in Beijing, wollen viele Frauen über 40 ein zweites Kind haben.

Vorreiter bei der Bevölkerungskontrolle

Es war nicht China, sondern Indien, das 1952 als erstes Land eine Geburtenkontrolle eingeführt hat, erinnert sich Prof. Yang Juhua. In den 1950ern und 1960ern hat China zwar schon Frauen zur Verhütung ermutigt, allerdings nicht zur Bevölkerungskontrolle. Erst 1971 wurde ein neues Programm initiiert, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen. Es sollte später geheiratet werden, mehr Zeit zwischen Geburten liegen und insgesamt weniger Kinder auf die Welt kommen.

Dadurch wurde die Geburtenrate zwischen 1972 und 1978 von 23,4 auf 12,05 Geburten pro 1000 Einwohner verringert – eine Reduzierung um etwa 50 Prozent. Die Zahl der Kinder pro Pärchen verringerte sich von 5 auf 2,72. Diese Reduzierung in den späten 1970ern war jedoch nicht ausreichend. Mit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik im Jahr 1978 wurde landwirtschaftliche Erzeugung auf Haushalte umgewälzt und die Planwirtschaft wich einer marktorientierten Wirtschaft.

Im Jahr 1949 hatte China eine Bevölkerung von 540 Millionen, die bis 1978 auf 960 Millionen angestiegen ist. Jugendliche unter 21 machten 80 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, Familien in den ländlichen Regionen benötigten mehr Kinder für die Mitarbeit in der landwirtschaftlichen Erzeugung. Die Regierung führte schließlich strengere Maßnahmen zur Bevölkerungskontrolle ein. Die Ein-Kind-Politik wurde zwar nicht sofort landesweit eingeführt, aber in Städten in Jiangsu und Sichuan trat sie sofort in Kraft. Familien mit Töchtern hatten die Möglichkeit nach vier Jahren ein weiteres Kind zu bekommen ¬– die sogenannte Eineinhalb-Kinder-Regelung, die auf dem Land wirksam war. Für ethnische Minderheiten oder weniger entwickelte Regionen des Landes gab es auch Regelungen für zwei oder mehr Kinder, unter der Ein-Kind-Politik war also ein zweites Kind nicht grundsätzlich verboten.

Jahrelange Anstrengungen tragen Früchte

In den 1970ern bekam die durchschnittliche Chinesin 4,77 Kinder, im Jahr 2011 nur noch 1,64 Kinder. „Ohne die Ein-Kind-Politik gäbe es heute 400 Millionen Chinesen mehr”, warnte Prof. Yang. Ihr zufolge haben Geburtenkontrolle und wirtschaftliche Reformen der letzten vier Jahrzehnte das Leben in China besser gemacht. Die durchschnittliche Lebenserwartung in China liegt heute bei 76 Jahren – 79 für Frauen, 75 für Männer.

„Die Maßnahmen zur Eindämmung der Geburtenrate haben erfolgreich das Bevölkerungswachstum einschränkt, positiven demographischen Wandel erwirkt und wirtschaftliche Entwicklung erleichtert. Die Maßnahmen waren ebenso erfolgreich wie notwendig. In der Zukunft werden Paare im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung automatisch weniger Kinder bekommen. Die politischen Maßnahmen zur Geburtenkontrolle werden weiter gelockert, wenn Paare von sich aus weniger Kinder bekommen”, prognostiziert Prof. Yang.

Kimeng Hilton Ndukong, Autor für People’s Daily Online, ist Redakteur für internationales Geschehen bei der bilingualen Tageszeitung Cameroon Tribune. Er ist Fellow am China-Africa Press Centre (CAPC).  

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