Das Frühlingsfest ist in China auch eine Zeit der traditionellen Werte. Viele Frauen des Landes, die sich dadurch eingeengt fühlen, wollen dies nicht mehr tolerieren und sprechen sich gegen überkommene Wertvorstellungen aus.

Ich habe meine Cousine seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Jedes Jahr bleibt sie der Familienzusammenkunft zum Frühlingsfest fern. Seitdem sie verheiratet ist, ist sie komplett vom Familienradar verschwunden und widmet sich vollständig ihrem Ehemann und ihren Schwiegereltern. Nur gelegentlich höre ich von anderen etwas von ihr.

Ihre neue Familie hat ihr den Besuch ihrer Eltern über die Feiertage untersagt, „weil es Tradition ist, im Haus des Mannes zu bleiben“. Dort putzt sie, kocht und bewirtet die Gäste, die es gemütlich haben sollen. Sie wurde von der Familie ihres Mannes quasi zu einem Dienstmädchen gemacht.

Das Frühlingsfest ist schon seit längerem eine schwierige Zeit für Paare in China, zu der man sich darüber streitet, wessen Eltern man über die Feiertage besucht. Manche Ehen scheitern sogar daran. Ich habe diese Geschichten von weiblicher Unterwürfigkeit nie richtig ernst genommen, bis ich von der Geschichte meiner Cousine erfahren habe. Jetzt sind es keine bloßen Geschichten mehr. Es gibt viele Frauen, die unter altertümlichen Traditionen und familiärem Druck leiden. Das ist einfach die Realität.

Diese alten Traditionen werden dabei sogar mittels moderner Technologie weiter verbreitet. Verwandte leiten Artikel über WeChat, einem Äquivalent zu Facebook, weiter, in denen die traditionelle Rolle der Frau betont wird. Demnach ist es Aufgabe der Ehefrau über das Frühlingsfest die Schwiegereltern zu besuchen und sich dort um die Hausarbeit zu kümmern.

Eine Frau serviert Essen auf einem dörflichen Familienbankett in der Nähe von Beijing. (Foto: Chinese Foto Press)