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Kallikollie – Die neue, alte Bilderschrift der Sticker (2)

(German.people.cn)
Freitag, 12. August 2016
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Vom Leben gezeichnet

Vor mehr als 4.600 Jahren lebte in China ein Mann namens Cang Jie (Chinesisch: 仓颉). Damals sprach man seinen Namen jedoch noch anders aus. Mit „Schang Kit“ kommt man der Aussprache laut Sprachhistorikern recht nahe, was soviel viel wie „Aufsteiger vom Kornhaus“ bedeutet. Cang Jie nun hatte vier Augen und war nicht zuletzt deshalb ein guter Beobachter.

Nachdem er sich lange mit Sternenkonstellationen, den Spuren von Vögeln und anderen Tieren beschäftigt hatte und sich von den Formen von Schildkrötenpanzern, Federn, Bergen und Flüssen, Fingern und Handflächen fasziniert fühlte, erfand er die Schrift. Oder vielmehr fand er sie, doch dazu später mehr. Der Schöpfung war ein großes Geheimnis abgerungen worden und der gnädige Himmel ließ Hirse herabregnen. Die Menschen würden, so die Logik, fortan weniger arbeiten und brauchten daher dieses frühgeschichtliche Rosinenbombardement.

Einer anderen Geschichte aus der nordwestchinesischen Provinz Shaanxi zufolge hat Cang Jie anschließend so viele Zeichen unters Volk gebracht, dass sie sich niemand alle merken konnte. Daher behielt man rund 70 Prozent von ihnen und ließ die anderen 30 Prozent unter den Tisch fallen, wo sie von anderen Ländern der Welt aufgenommen wurden, die auch in den Genuss der Schrift kommen wollten.

Cang Jie in einer Darstellung aus dem 17. Jahrhundert.

 

Das geht in kein Kuhhaus

Damit kommen wir zum lateinischen Alphabet, welches ja eigentlich von den Griechen kommt, welche es den Phöniziern abgeschaut haben, welche es wiederum den Ägyptern verdanken. Und diese haben ihre Zeichen vielleicht ja wirklich von dem Herrn vom Kornhaus erhalten. Seinen heutigen Namen trägt es aufgrund seiner ersten beiden Bestandteile in griechischer Aussprache „Alpha“ und „Beta“.

Auf die Frage, was ein „A“ für sich eigentlich bedeutet, würden die meisten Menschen wahrscheinlich recht ratlos reagieren und sich höchstens zu einer rein persönlichen Antwort hinreißen lassen. Ursprünglich hatten das Alphabet und die chinesischen Schriftzeichen jedoch mehr miteinander gemein, als sich auf den ersten Blick erkennen lässt.

Nehmem wir „A“ und „牛“ als Beispiel. Das erste drehen wir flugs auf den Kopf und erhalten „∀“ und für die Schreibung des letzteren nutzen wir keinen Pinsel, sondern ritzen es stattdessen mit schwarzen Pixeln in unseren Bildschirm: „ “. Nun setzen wir dem Rindvieh noch die Hörner auf die Ohren an und erhalten „-∀-“. Mit ein bisschen Fantasie lassen sich nun „ “ und „-∀-“ als zwei Kühe mit langen Ohren und Hörner erkennen, wobei das chinesische Exemplar etwas besser im Futter stehen könnte. Während das chinesische „牛“ heutzutage als „niú“ das Rind bezeichnet, hat das phönizische „Alep“ (wie auch „Bet“, das Haus) diese Bedeutung verloren. Vielleicht hat sich die Kuh ja deshalb im Grabe umgedreht.

Während die Buchstaben mit der Zeit ihre Bildhaftigkeit verloren haben und auch für die überwiegende Mehrheit keinerlei Bedeutung mehr besitzen und nur in Verbindung mit anderen Zeichen Sinn ergeben, liegt der Fall bei den chinesischen Zeichen ganz anders.

Bedeutungsvollschlank

Vielleicht war Cang Jie bei seiner antiken Umstrukturierung ein wenig zu radikal, da die einzelnen Zeichen über die Jahrtausende mit einer Vielzahl von Bedeutungen aufgeladen wurden. Vergleichen lässt sich das nur mit einigen deutschen Wörtern, die eine größere Bedeutungsfülle besitzen. So wie das Wort „Läufer“, welches laut dem Guinness-Buch der Rekorde zwei Dutzend Definitionen sein Eigen nennt, vom Wettkampfläufer, einer Schachfigur über den Teppich bis zum Schwein, Generatorteil, Mühl- und Mauerstein.

Dieser Umstand verleiht auch der chinesischen Kalligraphie ihren besonderen Reiz. In ihr verbinden sich Text und Bild in einer Weise, dass sich die – wohlgemerkt gemalten, nicht geschriebenen – Zeichen nicht klar vom Rest des Werkes trennen lassen. Beide sind mit dem Pinsel geformt und teils sogar Ergebnis der gleichen Maltechniken. Ein Schriftzeichen vermag es daher, mehr als ein paar Worte zu sagen.

Ein Zeichen besitzt zudem in vielen Fällen nicht nur eine Bedeutung für sich, sondern besteht aus Komponenten, welche die meisten Chinesen wiederum definieren können. Als bekanntes Beispiel und Symbol für die Familienfreundlichkeit Chinas setzt sich das chinesische Wort für „gut“, „好“, aus einer Frau „女“ und einem Kind „子“ zusammen. So weit, so verständlich. Dass das lateinische „gut“ mit einem Kamelhöcker beginnt, einem Kreuz endet und dazwischen noch einen Haken hat, mutet dagegen eher weit hergeholt und unverständlich an.


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