In China wurde jüngst das erste offizielle Gesetz gegen häusliche Gewalt erlassen. Eine aktuelle Umfrage hat nun ergeben, dass es sich bei den Opfern von familiärer Gewalt im Reich der Mitte jedoch keineswegs immer um Frauen handelt.
Gemäß einer Umfrage nehmen die Fälle häuslicher Gewalt, bei denen die Männer die Opfer sind, in China zu. Die Umfrage wurde vor dem Hintergrund der Einführung des ersten offiziellen Gesetzes gegen häusliche Gewalt in der Geschichte der Volksrepublik durchgeführt, welches am Dienstag in Kraft getreten ist.
In einigen Provinzen gestanden im Rahmen der auf dem chinesischen Kinderbetreuungsportal Babytree.com veröffentlichten nationalen Umfrage mehr Frauen als Männer ein, dass sie Gewalt gegen ihren Ehepartner ausüben.
In der südchinesischen Provinz Guizhou gaben beinahe 70 Prozent der weiblichen Umfrageteilnehmer zu, verbale oder physische Gewalt gegen ihre Ehemänner angewendet oder einen „Kalten Krieg“ gegen diese geführt zu haben. Nur 52 Prozent der männlichen Befragten gaben an, ihren Frauen gegenüber derartige Verhaltensweisen, einschließlich Schelte, Demütigung oder gewaltsamer Einforderung von Sex, an den Tag gelegt zu haben.
An der Umfrage beteiligten sich rund 2500 verheiratete Männer und Frauen. Beinahe die Hälfte von ihnen befindet sich im Alter zwischen 25 und 30 und knapp 60 Prozent davon haben die Oberstufe abgeschlossen oder einen Uniabschluss.
„Auch wenn Verhaltensweisen wie „Kalter Krieg“ vom Gesetz her nicht in die Kategorie der häuslichen Gewalt fällt, so kann er auf lange Sicht gesehen Seelenleiden verursachen und in manchen Fällen scheitert die Ehe daran“, erklärt Zhu Meihua, Soziologieprofessor des Fachbereichs Sozialarbeit an der Technischen Universität Ostchinas in Shanghai.
Shu Xin, Leiter des nichtstaatlichen China Marriage and Family Affairs Consulting and Research Center, erzählt, dass bis zum Jahr 2012 kaum Fälle eingingen, bei denen die Frau der Initiator für Gewalt in der Familie war. Die Anzahl sei jedoch, auch wenn sie immer noch gering ist, beständig auf ungefähr ein Dutzend Fälle im letzten Jahr angewachsen.
Der erste solche Fall, der von den Shanghaier Gerichten angenommen wurde, betraf einen 48-jährigen Mann, der seine fünf Jahre jüngere Frau verklagte, weil sie ihn heftig und oft misshandelte. Er bat um Scheidung und das Sorgerecht für den einjährigen Sohn.
In seiner Petition schrieb er, dass er durch die beständige Drangsalierung durch seine Frau unter ausgekugelten Gelenken und Prellungen an den Ellbogen leidet.
„Darüber hinaus gab der Mann an, dass ihn seine Frau gewöhnlich mit erniedrigenden Worten demütigt“, berichtet Wang Zhiguo, Öffentlichkeitsmitarbeiter am Shanghai Pudong New District People’s Court.
„Der Hauptgrund für die Veränderung ist, dass die Frauen unabhängiger werden und einen höheren familiären Status innehaben, der insbesondere in den Großstädten sehr von der traditionellen chinesischen Kultur abweicht“, meint Shu.