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Zuviel Design kann tödlich sein

(German.people.cn)
Mittwoch, 16. Dezember 2015
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Von Simon Gisler und Wang Xiaoding, Beijing

Von Partys, Messen und neuen Trends hält Arnd Christian Müller eher wenig. Viel wichtiger sind dem 46-jährigen Münchner Stiltreue und Einfachheit. Der Erfolg gibt ihm Recht. Sein Studio für Innenausbau und Architektur in Beijings Künstlerviertel Caochangdi gehört zu den Top 100 in China.

„Obwohl ich Deutscher bin, empfinde ich Perfektion ein Stück weit immer auch als Verlust, weil sie mir manchmal die Fantasie raubt“, sagt Arnd Christian Müller. Kreativität hat im Leben des 46-Jährigen schon bei der Berufswahl eine zentrale Rolle gespielt. Zum Leidwesen seiner Eltern entschied sich der gebürtige Süddeutsche trotz guter schulischer Leistungen für eine Schreinerlehre, weil er mit den Händen arbeiten wollte. Eine Entscheidung, die sich als richtig erweisen sollte. Genauso wie sein Entschluss, mit 30 im Reich der Mitte neu anzufangen. Heute ist der passionierte Künstler einer der erfolgreichsten Innenarchitekten Beijings.


Der Münchner Arnd Christian Müller – hier noch mit langem Haar – lebt und arbeitet seit 2000 in China (Bild Arnd Christian Müller, www.momentum.net.cn)

Herr Müller, Sie führen mit dem „Momentum“ seit acht Jahren ein eigenes Studio für Innenausbau und Architektur in Beijing. Wie läuft Ihr Geschäft im Moment?

Die letzten zwei Jahre waren insgesamt etwas ruhiger. Inzwischen aber hat das Geschäft wieder angezogen. Im Juni erhielten wir eine Anfrage nach der anderen. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ich mir die Haare kurz geschnitten habe (lacht). Seit dem Tag sind fünf wirklich sehr interessante Anfragen reingekommen. Drei davon sind mittlerweile unterschrieben.

Wie kommen Sie eigentlich zu Ihren Kunden?

Ich bin nicht der Typ, der gerne auf Partys geht, um seine Visitenkarte zu verteilen. Das liegt mir nicht. Unsere Aufträge erhalten wir in der Regel von zufriedenen Kunden. Und das wollen wir auch so beibehalten.

Auch wenn es mal nicht so läuft?

Wir wollen mit unserem Studio natürlich etwas bewegen. Ich habe aber auch gegen gelegentliche ruhigere Zeiten nichts einzuwenden, in denen ich mich der Kunst widmen kann. Im Herbst zum Beispiel werde ich an einem Austauschprogramm für Künstler aus aller Welt an einer Universität auf Taiwan teilnehmen.

Sie stammen ursprünglich aus München. Nach einer Schreinerlehre haben Sie das Abitur nachgeholt und Innenarchitektur studiert. Was hat Sie nach China geführt?

Ich habe schon immer den Drang verspürt, die Dinge anders anzugehen als andere. Im Alter von 30 habe ich mich dann entschlossen, nach China zu gehen, um etwas Neues zu erleben. Ich war nicht verheiratet und dachte: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Ich hatte damals auch die Möglichkeit, in die USA zu gehen. Aber Amerika war mir zu ähnlich im Vergleich zu München und Brüssel, wo ich einen Großteil meiner Kindheit verbracht habe. Daher entschied ich mich für die andere Richtung. Die Zeit in Belgien hat mir vielleicht die Angst genommen, im Ausland total neu anzufangen.

Sie sind mit Sack und Pack, aber ohne feste Stelle nach China gezogen?

Ja, mehr oder weniger. Am Anfang habe ich einem Freund beim Designen von Möbeln geholfen. Aber das war nicht das Wahre. Aufzugeben und nach Deutschland zurückzukehren kam jedoch nicht in Frage, weil ich mich gerne durchbeisse. Eine Messebaufirma stellte mir schließlich einen Vertrag in Aussicht, wenn ich für sie eine Ausschreibung gewinnen würde – was ich dann auch tatsächlich tat. Bei dem Wettbewerb ging es um die Gestaltung eines Ausstellungsbereichs für eine chinesische IT-Firma. Wie versprochen erhielt ich einen Einjahresvertrag – wenn auch zu lokalen Bedingungen.

Was haben Sie bei dieser Messebaufirma genau gemacht?

Wir haben für unsere Kunden von Beijing aus Messeauftritte in aller Welt vorbereitet. Ich war größtenteils für die kreative Planung zuständig. Das war sehr interessant. Danach habe ich noch einige Jahre lang bei zwei international tätigen Innenarchitekturfirmen wertvolle Erfahrungen gesammelt.

Was gab den Ausschlag dafür, dass Sie sich selbständig machten?

Die Innenarchitekturfirmen, für die ich tätig war, bauten Büros im großen Stil aus. Es handelte sich zwar um schöne Projekte, die Arbeit war mir auf Dauer jedoch zu wenig kreativ und nicht immer anspruchsvoll. Eines Tages habe ich mir dann gesagt: „Mensch, du probierst es jetzt selber!“ Und so habe ich als Einmannbetrieb in meiner eigenen Wohnung angefangen.

Inzwischen haben Sie ein eigenes Studio mit bis zu acht Angestellten. Was waren anfangs die größten Schwierigkeiten?

Die größte Schwierigkeit war und ist die mangelnde Wertschätzung für Designarbeit in China. Hier will jeder einen Innenarchitekten, aber nur wenige wollen die für seine Arbeit nötige Zeit aufbringen und dann auch noch dafür bezahlen. Die meisten möchten erst einmal einige kostenlose Entwürfe sehen, bevor sie sich entscheiden, ob sie dich engagieren oder nicht. Als Innenarchitekt muss ich daher immer genau abwägen, wie weit ich dem Kunden vertrauen und ihm eine Vorleistung geben kann, ohne am Ende leer auszugehen. Wenn man bereits Projekte vorzeigen kann, ist es natürlich wesentlich einfacher.

Deutschland genießt in China einen ausgezeichneten Ruf. Inwiefern hat Ihnen die deutsche Herkunft beim Aufbau Ihres Geschäfts geholfen?

Schwer zu sagen: Vielleicht kommen die Leute in China eher auf einen zu, wenn man aus Deutschland kommt. Allerdings ist es auch nervig, ständig auf Mercedes-Benz oder Siemens reduziert zu werden. In Gesprächen mit Kunden oder auch mit Leuten auf der Straße gebe ich mich inzwischen lieber als Belgier aus. Ob ein Entwurf aus der Hand eines deutschen oder italienischen Innenarchitekten stammt, ist den meisten Chinesen letztlich aber egal. Beim Aufbau meines eigenen Geschäfts hat mir hingegen sicher meine fundierte Ausbildung in Deutschland geholfen. Umgekehrt denke ich als Deutscher manchmal vielleicht ein wenig zu kompliziert – gerade wenn es um Verträge geht. Da kann die deutsche Erziehung mitunter auch hinderlich sein.


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