von Simon Gisler
Ein 30-jähriger Kirsch, eine uralte Legende und ein noch älterer Kristall: So lauten die Zutaten des Luxusdekanters, den drei Schweizer Jungunternehmer in China vertreiben. Bruno Bomatter, der Marketingchef des Start-ups, über eine „Schnapsidee“ mit Potenzial.
Die Heimat von Bruno Bomatter, der Kanton Uri in den Schweizer Alpen, ist reich an Mythen und Legenden. Gar zu Weltruhm brachte es die Sage von Wilhelm Tell, der seinem Sohn anno 1291 auf Geheiß des Tyrannen Gessler mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf schoss. Wie der Schweizer Nationalheld wollen auch Bomatter und Co. einen Volltreffer landen. Allerdings haben der 36-jährige Urner und seine beiden Geschäftspartner weniger einen Apfel im Visier als vielmehr gut betuchte Chinesen, die auf exklusiven Schweizer Kirsch stehen.
Bruno Bomatter (links) und sein Geschäftspartner Rolf Aregger präsentieren ihren Kristallschnaps. (Bild „Wilhelm and Sons“)
Herr Bomatter, Sie haben mit zwei Bekannten die Firma „Wilhelm and Sons“ gegründet und verkaufen seit Anfang 2014 Luxusschnaps aus der Zentralschweiz in China. Wie sind Sie auf diese „Schnapsidee“ gekommen?
Wir sind drei junge Unternehmer aus der Zentralschweiz. Alle von uns arbeiten bereits zwischen sieben und 15 Jahren in internationalen Exportfirmen. Durch die internationale Ausrichtung unserer Arbeit haben wir uns schon länger überlegt, eine eigene Firma zu gründen. Als wir dann im Jahr 2012 den mehrmaligen Gewinner des Schweizer Destillerie-Preises, Tony Zgraggen, besuchten, sind wir auf diese „Schnapsidee“ gekommen. Tony Zgraggen lagert in seiner Brennerei am Lauerzersee im Kanton Schwyz seit mehr als 30 Jahren ein altes Tonfass mit Schweizer Kirsch. Wir durften von dem Kirsch probieren und waren von seinem edlen Geschmack begeistert.
Ihre Geschäftsidee hat ihren Ursprung also sprichwörtlich im Schnaps?
Ja, der Kirsch von Tony Zgraggen wollte uns einfach nicht mehr aus dem Kopf. Einige Wochen später beschlossen wir, ein Konzept zu erarbeiten. Wir kamen zum Schluss, dass ein Kirsch dieser Güte auch sehr hochwertig und aufwendig weiterverarbeitet werden sollte. Als wir dann zufällig in einem Artikel eine uralte Legende über den Bristen – einen markanten Berg in der Zentralschweiz – lasen, kam uns die perfekte Idee: Der Kirsch muss mit einem Millionen Jahre alten Bergkristall veredelt werden. Der Legende nach liegt irgendwo auf dem Bristen ein Kristall, der seinem Finder unermesslichen Reichtum, Glück und Gesundheit beschert. Der Kristall wurde jedoch bis zum heutigen Tag nicht gefunden.
Dafür haben Sie China entdeckt, ein Land, das nicht gerade vor Ihrer Haustür liegt.
Wir wollten uns von Anfang an auf zwei Märkte konzentrieren: Auf unseren Heimmarkt, die Schweiz, und auf China als Exportmarkt. Wir sind der Meinung, dass die Schweiz in China nach wie vor gefragt ist, und dass Schweizer Unternehmen das Exportpotenzial nach Asien noch immer unterschätzen. Im Jahr 2020 werden der Weltbank zufolge 300 bis 500 Millionen Chinesen dem Mittelstand angehören. Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten dürfte also weiter zunehmen. Trotzdem sind wir uns natürlich bewusst, dass der Aufbau unseres Brands noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird.
Beim Schnaps, den Sie in China vertreiben, handelt es sich um einen Luxusschnaps. Der Preis für eine einzige Flasche Ihres „LEGEND1291“ (0,75 Liter) liegt im fünfstelligen Frankenbereich, kostet also fast zehntausend Euro. Was macht Ihren Schnaps so teuer?
Die Materialien, die wir verwenden, werden ausschließlich in der Schweiz hergestellt. Die Kristalle auf dem Flaschenboden stammen aus dem millionenschweren Jahrhundertfund von Franz von Arx am Planggenstock im Kanton Uri aus dem Jahr 2006 (Die größten Kristalle aus dem insgesamt zwei Tonnen schweren Fund sind seit 2011 im Naturhistorischen Museum in Bern ausgestellt, Anm. d. Red.). Der edle Dekanter wird in viereckiger Form mundgeblasen. Eine viereckige Form mit dem Mund blasen, das können heute in der Schweiz nur noch zwei Glaskünstler. Um die finalen Chrombeschläge und Verschlüsse fertigen zu können, werden alle Teile von hochmodernen 3D-Messgeräten auf hundertstel Millimeter genau ausgemessen. Insgesamt sind für die Herstellung einer Flasche mehr als 45 Arbeitsschritte notwendig. Jeder „LEGEND1291“ ist ein Unikat von unvergleichlichem Geschmack.
Sie leben und arbeiten in der Schweiz. Wie vermarkten und verkaufen Sie Ihren Luxusdekanter in China?
Wir sind sehr dankbar für die tolle Zusammenarbeit mit der Switzerland Global Enterprise, ehemals OSEC (Die Switzerland Global Enterprise, kurz SGE, ist der halbstaatliche Exportförderer der Schweiz, Anm. d. Red.). Die Leute von der SGE haben unsere Vision vom ersten Bleistiftentwurf bis zu den ersten Kundenbesuchen mit dem „LEGEND1291“ in Shanghai mitbegleitet. Ohne ein solches Netzwerk wäre es schlicht nicht möglich gewesen, einen derart großen Markt anzugehen. Nicht zu vergessen sind aber auch die vielen Helfer aus den verschiedensten Branchen, mit denen wir über die Jahre hinweg international zusammengearbeitet haben. Man neigt dazu, das Netzwerk vor der eigenen Tür zu unterschätzen. Dabei kannte immer mal wieder ein Bekannter einen anderen Bekannten, der uns weiterhelfen konnte.