Nachdem der Wechselkurs des Rubels zum US-Dollar am Montag um 13 Prozent gesunken war, kündigte die russische Zentralbank gestern früh an, den Leitzins von 10,5 Prozent direkt auf 17 Prozent zu erhöhen. Russland hofft, durch die größte Zinserhöhung seit 1998 eine weitere Abwertung des Rubels einzudämmen.
Leider hatte sich die Lage dadurch nur wenig verbessert. Zwischenzeitlich durchbrach der Wechselkurs gar die Marke von 80 Rubel je US-Dollar. Innerhalb von zwei Handelstagen wurde der Rubel insgesamt um etwa 25 Prozent abgewertet.
Der Vize-Leiter des Forschungszentrums für internationale Finanzwirtschaft der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, Zhang Ming, sagte: „Jede Münze hat zwei Seiten. Gegenwärtig befindet sich die russische Wirtschaft in einem relativ schwachen Zustand. Die Zinserhöhung kann zwar kurzfristig die Anziehungskraft des Rubels vergrößern, aber gleichzeitig wird dadurch mehr Druck auf die Volkswirtschaft ausgeübt.“
Zhang Ming zufolge ist die Rubelabwertung hauptsächlich auf die weltweite Preissenkung des Erdöls zurückzuführen. Die russische Wirtschaft sei abhängig vom Ölexport. Wegen der Preissenkung habe sich der Handelsüberschuss verringert. Ein anderer Grund seien die geopolitischen Konflikte zwischen Russland und der Ukraine. Die NATO-Länder haben deswegen Wirtschaftschaftssanktionen gegen Russland verhängt.
Wird Russland in eine Wirtschaftskrise geraten?
Eine weitere Abwertung des Rubels werde zu höheren Importkosten von Russland führen und dem Land einen importierten Inflationsdruck bringen, so Zhang Ming. Gleichzeitig würden sich seine Staatsschulden vermehren und das Vertrauen der internationalen Investoren zur russischen Wirtschaft reduzieren. Das ausländische Kapital würde weiter aus Russland abgezogen.
Der Leiter des Minsheng Securities Instituts, Guan Qingyou, wies darauf hin, dass die EU-Sanktionen gegen 40 Prozent des russischen Außenhandels, der aus der Preissenkung des Erdöls resultierende Rückgang des Exports und der Volkswirtschaft, der die Devisenreserven übersteigende Umfang der Auslandsverschuldung, sowie die Aufwertungstendenz gegenüber dem US-Dollar die russische Wirtschaft langfristig in eine Krise führen könnten.
Wie wird China von einer Abwertung des Rubels beeinflusst?
Zhang Ming sagte, dass die Entwicklung auf die Welt mehr negative als positive Auswirkungen habe. Die Investoren aus aller Welt würden zurückhaltender, nicht nur bei Investitionen in Russland, sondern auch in anderen Schwellenländern. Andere Schwellenländer, darunter auch China, könnten bald vor demselben Problem stehen, dass ausländisches Kapital abgezogen und die eigene Währung abgewertet würde.
Der Vize-Studiendirektor der Wirtschaftsabteilung der Renmin University of China, Liu Yuanchun, analysierte die Situation folgendermaßen: „Falls der Rubel weiter abgewertet wird, würde nicht nur ein Abschwung in der russischen Wirtschaftsentwicklung entstehen, sondern die strategische Balance zwischen China und Russland würde gebrochen werden. Für China sollten die strategischen Auswirkungen größer als der kurzfristige Verlust sein.“