Die zwei bevölkerungsreichsten Länder der Erde wollen ihre Grenzstreitigkeiten beilegen und in Zukunft enger zusammenarbeiten. Experten sprechen bereits von einer neuen Ära der Beziehungen zwischen Beijing und Neu-Delhi.
China und Indien haben gestern Donnerstag zwölf Abkommen unterzeichnet, die ein neues Zeitalter in den Beziehungen zwischen den zwei großen Nachbarn einleiten. Drei weitere Abkommen wurden bereits am Mittwoch unterzeichnet. Die Verträge werden das Investitionsvolumen chinesischer Firmen in Indien deutlich erhöhen und dem Subkontinent bei der dringend notwendigen Modernisierung seiner Infrastruktur helfen.
Experten erachten die Vereinbarungen als Beginn der gegenseitigen Bemühungen, das Potenzial für eine weitere Zusammenarbeit auszuloten. Sie verweisen dabei auf die positiven Äußerungen zur Lösung einiger heikler Fragen, die Chinas Präsident Xi Jinping und Indiens Premier Narendra Modi in ihren Gesprächen gemacht haben.
So haben sich die beiden Spitzenpolitiker am Donnerstag einverstanden erklärt, ihre Grenzstreitigkeiten korrekt zu handhaben und baldmöglichst eine Lösung zu finden, sowie den Frieden und die Stabilität in den Grenzregionen zu wahren. „China hat die Bereitschaft, den Grenzstreit zu einem frühen Zeitpunkt zusammen mit Indien auf dem Verhandlungsweg zu lösen“, versicherte Präsident Xi nach einem zweistündigen Gespräch mit Modi.
Indiens Premier sprach von einer „historischen Chance“: „Wir können in unseren Beziehungen eine neue Ära beginnen.“ Gleichzeitig versprach Modi, dass Indien nicht zulassen werde, dass die Tibeter in den südostasiatischen Ländern antichinesische Aktivitäten durchführen.
Wang Xu von der Peking-Universität hält es für sehr unwahrscheinlich, dass Grenzstreitigkeiten die wachsende Zusammenarbeit zwischen China und Indien in nächster Zeit in den Schatten stellen werden. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit genieße bei Modi oberste Priorität, da er sein Wahlversprechen des Wirtschaftswachstums einlösen müsse, erklärt der Südostasien-Experte.
Die 15 unterzeichneten Abkommen beinhalten unter anderem den Ausbau des Schienennetzes, einschließlich der Modernisierung von Bahnhöfen und dem Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken. Als erstes soll die existierende Linie von Chennai über Bangalore nach Mysore modernisiert werden.
Indiens Schienennetz werde von der finanziellen Unterstützung, der Technologien und der Erfahrung aus China enorm profitieren, ist Ye Hailin von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften überzeugt. Das veraltete Schienennetz stehe dem dringend benötigten Wirtschaftswachstum im Weg. Dass Indien seinen für China bisher zumeist geschlossenen Eisenbahnsektor nun öffne, beweise das neue Vertrauen der Regierung in Neu-Delhi in die chinesische Führung, so Ye.
„Wir können Asien Wohlstand bringen und der Welt neue Chancen eröffnen“, sagte Präsident Xi über die wachsende Partnerschaft zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt. China ist Indiens wichtigster Handelspartner. Im Jahr 2013 belief sich das bilaterale Handelsvolumen auf über 70 Milliarden US-Dollar. Für 2015 streben die beiden Nachbarländer ein Handelsvolumen von 100 Milliarden US-Dollar an.
Allerdings wies Indien gegenüber China im vergangenen Jahr ein Handelsdefizit von 31 Milliarden US-Dollar auf. Die Errichtung von zwei Industrieparks – einer im Bundesstaat Gujarat und einer im benachbarten Bundesstaat Maharashtra – sollen langfristig dazu beitragen, die Handelsbilanz auszugleichen. In den beiden Industrieparks sollen Fahrzeugteile und Geräte zur Stromübertragung hergestellt werden.
Indien und China haben sich während dem Besuch von Präsident Xi auch auf die Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Kernenergie geeinigt. Ebenfalls besprochen wurde die Errichtung eines Wirtschaftskorridors zwischen China, Indien, Bangladesch und Myanmar.