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China und Indien trennt eine Revolution

(German.people.cn)
Donnerstag, 04. Mai 2017
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Die bestehende Kluft zwischen den beiden bevölkerungsreichsten Nationen gründet in Indiens Übernahme der kolonialen Struktur nach seiner Unabhängigkeit und dem revolutionären Bruch Chinas mit seiner Vergangenheit. Impressionen aus Indien.

Als ich im Nehru Memorial Museum (NMML) die antiken Säulen hinaufblickte, kam ich mir vor, als wäre ich in die Vergangenheit gereist und könnte hören, wie Jawaharlal Nehru, Indiens erster Ministerpräsident, die Stufen herunterkommt.

Ein Bauarbeiter im Schutzhelm ging mit einem großen Sack zerbrochener Ziegelsteine an mir vorbei. Wild stieß er eine Tür auf und schüttete die Trümmer hinaus. Eine riesige Staubwolke erhob sich und riss mich zurück in die Realität.

Das im Stile klassischer britischer Architektur gehaltene NMML war meine erste Station in Indien. Trotz des Alters und der Abnutzungserscheinungen aufgrund mangelnder Instandhaltung können Gestalt sowie Umfang den Besuchern seine Bedeutung für Inder vermitteln.

Man kann sich vorstellen, was Nehru empfunden haben muss, als er nach Indiens Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1947 in dieses Gebäude eingezogen ist. Er muss zuversichtlich gewesen sein und sich ausgemalt haben, wie Indien in Zukunft als Großmacht auf der Weltbühne auftreten würde.

Er hat einmal gesagt, dass „Indien, so wie es sich darstellt, keine zweitrangige Rolle in der Welt übernehmen kann. Es wird sehr entweder sehr wichtig oder vollständig unbedeutend sein.“

Nehru strebte weder Ziele an, die sich außerhalb seiner Reichweite befanden, noch war er ein Träumer. Jeder Politiker in seiner Position würde denselben Mut zur Vision und dieselbe geistige Weite an den Tag legen.

Zum damaligen Zeitpunkt hatte sich Indien gerade von der britischen Kolonialherrschaft losgerissen, kam in den Besitz der von den britischen Behörden hinterlassenen Industrie und Eisenbahnnetze, und errichtete in der multiethnischen, multireligiösen Nation ein stabiles politisches System.

Im Vergleich zur zwei Jahre später gegründeten Volksrepublik China war Indien als siebtgrößter Industriestaat der Welt mit mehr als 6 Millionen Arbeitern, während China damals nur ungefähr 1,2 Millionen hatte, weit voraus.

In der Gedenkhalle liegen Nehrus Briefe an seine Familie aus, die er während seiner Inhaftierung durch die britischen Kolonisten geschrieben hatte. Im Laufe der Jahrzehnte des antibritischen Kampfes wurde er neunmal inhaftiert. Zehn Jahre Gefängnis haben seine Entschlossenheit gestärkt und ihn mit Ideen für Unabhängigkeitsbestrebungen sowie den Beginn einer Revolution erleuchtet.

Als er zum Anführer Indiens geworden war und in die frühere offizielle Residenz des britischen Gouverneurs in Indien einzog, war Nehrus Revolution bereits dazu verdammt, weniger tiefgreifend als die chinesische Reform auszufallen.

Dem britischen Modell folgend etablierte er das Bildungssystem, Justizwesen und das parlamentarische Regierungssystem. Die vier Grundsätze seiner Innenpolitik lauteten Demokratie, Sozialismus, Solidarität und Säkularismus. Ein solches politisches Ordnungsmodell wurde von britischen Kolonisten erschaffen, um ihre Herrschaft zu konsolidieren sowie die Stabilität im multiethnischen und multireligiösen Südasien aufrechtzuerhalten.

Revolution war eine der größten Befürchtungen Großbritanniens, da es Stabilität in der Region benötigte, denn nur in einer stabilen Umgebung konnte der über Jahrtausende angesammelte Reichtum Südasiens ohne Unterbrechungen nach Großbritannien geliefert werden.

Nehrus Ausbildung in Großbritannien sowie die ethnischen und religiösen Konflikte, von denen Indien damals geplagt war, haben ihn eingeschränkt. Zur Gewährleistung der nationalen Einheit konnte er sich nur auf das britische Modell verlassen. Deshalb schlug Indien einen Weg ein, der um jeden Preis eine Revolution vermied.

Vergleicht man Indien und China, dann erkennt man klare Unterschiede bezüglich Chinas Revolution von 1949. Die von der Kommunistischen Partei Chinas angeführte Revolution hat die Tradition gestürzt, die gesellschaftliche Schichtung zerbrochen, Frauen befreit, das Analphabetentum beseitigt und die Zusammenführung der Bildungs-, Post-, Eisenbahn- und Steuersektoren realisiert. Die Kluft zwischen China und Indien gründet nicht in den Reformen am Ende des 20. Jahrhunderts. Es fällt schwer, sich neben der Revolution andere Entwicklungswege vorzustellen, die in einer solch kurzen Zeitspanne China drastisch verändern und den Weg zur Modernisierung hätten ebnen können.

Der Preis einer Revolution kann hoch sein. Aber allein durch das Umherwandern in Indiens Städten und Landstrichen, sowie dem Verweilen vor dem Gebäude mit einer imperialen Ausstrahlung, kann man die Bedeutung und Funktion der Revolution selbst ergründen.

 

Der Autor, Ding Gang, ist leitender Redakteur von People’s Daily und Senior Fellow am Chongyang-Institut für Finanzwissenschaften der Renmin-Universität in Beijing. 

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