Chinas Staatspräsident bezeichnet Lesen als sein liebstes Hobby. Besonders interessiert ist er an Klassikern über die russische Willenskraft, den ungezähmten amerikanischen Geist und den deutschen Pakt mit dem Teufel.
Während seiner Rede am 15. Oktober 2014 auf dem Forum für Literatur und Kunst in Beijing rief der chinesische Staatspräsidenten Xi Jinping Autoren auf, das Verständnis für die heutige Bedeutung von Literatur und Kunst zu vertiefen. Der Aufruf des Präsidenten hatte eine enorme Wirkung. In den letzten zwei Jahren seit seiner Rede wurde eine große Menge von herausragenden literarischen Werken in China veröffentlicht.
Es ist kein Geheimnis, dass Xi eine Leidenschaft für das Lesen besitzt. Bei vielen verschiedenen Gelegenheiten erwähnte er Literatur verschiedener Kulturen und Länder. 2013 sagte er in einem Interview mit Medienanstalten aus den BRIC-Staaten: „Ich habe jede Menge Hobbys, mein liebstes ist Lesen.“
Ein Blick in Xi Jinpings Bücherregal
Gemäß der antiken chinesischen Philosophie muss man, um Frieden in das Land zu bringen, sich zuerst selbst kultivieren, bevor man Familienglück finden und schließlich den Staat regieren kann. Xi hat sich bereits früh in seinem Leben entschieden, das Lesen der beste Weg zur Selbstkultivierung darstellt.
Obwohl er mit 15 Jahren in bergigen und ländlichen Gebieten arbeitete, ließ er es sich nicht nehmen, so viele Bücher wie nur möglich zu finden. Laut Xi herrschte damals unter Seinesgleichen eine fruchtbare Atmosphäre zum Lesen und man widmete den größten Teil der Freizeit dem Lesen und Tauschen von Büchern.
Ausländische Klassiker wie „Rot und Schwarz“ und „Krieg und Frieden“ sowie traditionelle chinesische Werke aus der Ming- (1368 – 1644) und Qing-Dynastie (1644 – 1911) fanden ihren Weg auf seine Leseliste. „Man kann sagen, dass ich buchstäblich fast alle literarischen Klassiker gelesen habe, die ich während dieser Zeit finden konnte“, so Xi.
Russische Willenskraft
In Anbetracht der Bedeutung, welche die russische Literatur für eine ganze Generation in China besaß, ist es keine Überraschung, dass er in einem Interview mit russischen Medien das russische Volk mit seinen Kenntnissen der russischen Literatur beeindrucken konnte.
Nach einem Artikel der People’s Daily über Xis Lesegewohnheiten haben ihn die Klassiker „Eugene Onegin“ von Alexander Puschkin, „Ein Held unserer Zeit“ von Michail Lermontow, „Der stille Don“ von Michail Scholochow sowie „Krieg und Frieden“ und „Auferstehung“ von Lew Tolstoi tief beeindruckt.
„Dostojewski ist der tiefste russische Schriftsteller, Tolstoi der breiteste. Im Vergleich bevorzuge ich Tolstoi“, so Xi.
Laut Xi inspirierte ihn die Lektüre von Nikolai Tschernyschewskis Werk „Was tun?“, in dem die Hauptfigur einen asketischen Lebensstil pflegt, dazu, auf einem Bett aus Nägeln zu schlafen, um sich abzuhärten. Xi und seine Bekannten schliefen auf Betten ohne Matratzen, gingen auch an regnerischen und verschneiten Tagen außer Haus und nahmen kalte Duschen, um ihre Willenskraft zu stärken.
Deutschlands Pakt mit dem Teufel
Im Allgemeinen verfügt deutsche Literatur über herrliche Werke von Autoren wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Xi traf im Alter von 14 Jahren zunächst auf Goethes Werke und las „Die Leiden des jungen Werthers“.
Während seiner Zeit im ländlichen China ging er 30 Kilometer zu Fuß, um eine Ausgabe von „Faust“ von einem gebildeten Gleichaltrigen auszuleihen, den er kannte. Vielleicht war es die lange Zeit, die er benötigte, um an das Buch zu kommen, jedenfalls er verliebte sich nach der Lektüre in das Werk.
Bei einem Besuch in Deutschland räumte Xi gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel und einer Gruppe von deutschen Sinologen ein, dass die überbordende Fantasie in „Faust“ es schwierig für ihn mache, das Buch zu verstehen. „Auch Deutsche sind nicht in der Lage, ‚Faust‘ zu verstehen. Daher ist es für Sie noch schwieriger“, so die Antwort.
Der ungezähmte Geist der USA
Literatur aus den USA findet sich ebenfalls auf Xis Leseliste, darunter auch die Lyrik-Anthologie „Grashalme“ von Walt Whitman und der Roman „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ von Mark Twain.
Seine Lieblings-US-Autor ist jedoch mit Abstand Jack London, der Autor von „Ruf der Wildnis“, „Der Seewolf“ und der Kurzgeschichte „Die Liebe zum Leben“, welche auch von Lenin hoch geschätzt wurde.
Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ beeindruckte Xi mit seinen detaillierten Beschreibungen des wütenden Sturms, der riesigen Wellen, dem kleinen Boot, dem alten Mann und den Haien. Zum besseren Verständnis Hemingways suchte Xi bei Besuchen in Kuba stets Orte auf, wo Hemingway den Roman geschrieben hatte. Seine erste Reise führte ihn zu einer Bockbrücke und die zweite in eine Bar, wohin der Autor zum Schreiben einzukehren pflegte.
„Sein [Hemingways] Lieblingsgetränk war der Mojito. Er besteht aus Rum und Pfefferminze mit Eis und Zucker. Der Geist, der in ‚Der alte Mann und das Meer’ beschrieben wird, ist unsterblich“, wie People’s Daily Xi zitierte.
Frankreichs berührende Momente
Xi war nicht nur begeistert von Frankreichs reicher Literatur, sondern auch von der Geschichte, Philosophie und Kunst des Landes. Französische Klassiker wurden als einige der frühesten Bücher ins Chinesische übersetzt, darunter auch Stendhals „Rot und Schwarz“ und „Die menschliche Komödie“ von Honoré de Balzac, welche zu ihrer Zeit für Aufsehen gesorgt hatten.
Die Werke Victor Hugos haben bei Xi den tiefsten Eindruck hinterlassen. „Die Elenden“ und „1793“ spielen beide während der Französischen Revolution. Xi merkte einmal an, dass der berührendste Moment für ihn war, als Bischof Myriel dem Charakter Jean Valjean hilft und ihn ermutigt, ein besserer Mensch zu werden. „Große Werke besitzen große Kraft, Leser zu berühren“, so Xi.
Zeitgenössische britische Kultur
2015 lobte Xi bei einem Besuch in London die britische Kultur und Literatur in einer Rede bei einem Bankett und erwähnte dabei beliebte Literaten wie Shakespeare und zeitgenössisches britisches Fernsehen wie „Downton Abbey“, die auch in China Anklang finden. Laut einem Bericht von Phoenix TV gab es spontanen Applaus, als Xi „Downton Abbey“ erwähnte.
„Shakespeare, Wordsworth, Jane Austen and Charles Dickens haben Chinesen den Charm traditioneller britischer Literatur näher gebracht. Zeitgenössische Werke wie die 007-Reihe, Harry Potter, Sherlock und Downton Abbey sind äußerst beliebt beim chinesischen Publikum“, erklärte Xi. „Wir sollten einander respektieren, voneinander lernen und allen Stolz und Vorurteile aufgeben. Nur wenn wir das erreichen können, können wir uns gemeinsam entwickeln und gedeihen.“
Einige Zitate von Xi Jinping über westliche Literatur
„Dostojewski ist der tiefste russische Schriftsteller, Tolstoi der breiteste. Im Vergleich bevorzuge ich Tolstoi.“
„Ich mag Scholochow sehr. ‚Der stille Don‘ spiegelt den Wandel zu dieser Zeit äußerst tief wider.“
„Der Geist, der in ‚Der alte Mann und das Meer’ beschrieben wird, ist unsterblich“
„Es ist wahr, dass ‚Faust’ durch die überbordende Fantasie sehr schwer verständlich ist.“
„Stendhals ‚Rot und Schwarz’ ist sehr einflussreich. Doch wenn es um Beschreibungen der Welt geht, sind die Werke von Balzac und Maupassant die besten, wie beispielsweise Balzacs ‚Die menschliche Komödie‘.“