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„Harmonische Rekonstruktion": Digitaler Denkmalschutz am Yuanming Yuan

(CRI)
Mittwoch, 31. August 2016
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Kulturelle Hinterlassenschaften früher Zivilisationen müssen geschützt werden. Dies ist eine zwischenstaatliche Übereinkunft, der international immer größere Aufmerksamkeit zukommt. Vielen Kulturwissenschaftlern und Archäologen bereiten jedoch solche Stätten und Artefakte große Sorgen, die durch Naturkatastrophen, Kriege und die Ignoranz des Menschen unwiederbringlich zerstört wurden. Diese Problematik stand beim unlängst in Beijing veranstalteten vierten internationalen Symposium für den Schutz und die Digitalisierung des Kulturerbes im Zentrum. So manch ein verloren geglaubtes Monument feierte hier dank neuester Digitaltechnik seine Auferstehung – so auch der stark zerstörte „Alte Sommerpalast" der chinesischen Hauptstadt. Die Ergebnisse des Workshops wurden in den Hallen des Kunstinstituts der renommierten Tsinghua-Universität präsentiert.

„Virtuelle Realität" ist das Stichwort, das in der Ausstellungshalle der Tsinghua-Universität allgegenwärtig ist. Mithilfe neuester Technologien ist es einem Forschungsteam für Kulturgüter und Digitalisierung an der Tsinghua-Universität gelungen, lange verloren geglaubte Architekturen wieder auferstehen zu lassen. Zu ihnen gehören auch die Gebäude des „Yuanming Yuan" – des „Gartens der vollkommenen Klarheit" oder des „Alten Sommerpalasts" – in Beijing unweit des Universitätsgeländes. Mithilfe einer VR-Brille erstrahlen die im Zuge des Zweiten Opiumkriegs stark zerstörten Bauten in alter Pracht.

Für das Kulturprojekt hat das Forschungsteam einen digitalen Reiseführer entwickelt, der auf mobilen Endgeräten in Form einer App Anwendung findet. Doktor Alexandra Harrer aus Österreich, Architektin und Expertin für klassische chinesische Architektur, begleitet das Digitalisierungsprojekt seit vielen Jahren und erläutert die neue App:

„Das Digitalisierungsprojekt ist benutzerorientiert. Das heißt, wir haben das Ganze gemacht, damit es letztendlich aktiv von den Leuten, die an dem ‚Yuanming Yuan' interessiert sind, genutzt werden kann. Das heißt, was wir gemacht haben war, wir haben durch Forschung gepaart mit moderner Computertechnologie die verlorenen Bauten wieder aufleben lassen und das in so eine Form gebracht, dass man es jetzt mithilfe einer App, die man sich herunterladen kann auf sein Handy oder einen Computer, dann virtuell nachempfinden kann. Das ist eine ganz gute Möglichkeit. Die andere Möglichkeit, wie die Besucher das nachempfinden oder unsere Arbeit verstehen können, ist, wir haben auch Filme gemacht, animierte Filme, die werden teilweise auch im Yuanming Yuan selber gezeigt."

Die digitalen Rekonstruktionen der faszinierenden Bauten des „Alten Sommerpalasts" sind wichtige Bestandteile des Forschungsprojektes. Die Schaffung der App und der Dokumentarfilmreihe hat viel Arbeit und Zeit in Anspruch genommen. Dabei wurden anknüpfend an die spärlichen archäologischen Hinterlassenschaften wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt. Da zahlreiche der einstigen Bauten auf die Pläne westlicher Architekten zurückgehen, wurden auch historische Unterlagen aus dem Westen hinzugezogen. Dies war mit einigen Herausforderungen verbunden, wie Alexandra Harrer beschreibt:

„Das Problem sind die Quellen. Es ist nicht alles so aufgezeichnet, wie wir es gerne hätten. Und es gibt eben nicht so eine Null-Acht-Fünfzehn-Lösung für alles, es ist eher wie ein Puzzlespiel, ein Puzzle, bei dem man kleine Teile zusammensetzt muss, vielleicht archäologische Information, historische Texte, auch teilweise poetische Texte, die der Qianlong-Emperor selber geschrieben hatte, Gedichte, wo man vielleicht wieder Informationen bekommen hatte, visuelle Quellen wie Bilder, Seidenmalereien, man muss das alles zusammenbringen und dann versuchen das Beste daraus zu machen, und so ist unsere virtuelle, digitale Rekonstruktion eigentlich ein hypothetisches Modell. Also man kann das so verstehen, das ist das, was wir glauben, wie es am wahrscheinlichsten ausgeschaut hat. Aber wir sind auch nicht hundertprozentig sicher. Es gibt eben noch einen gewissen Unsicherheitsgrad. Aber wir versuchen es auch zu vermitteln und visuell anschaulich zu machen, weil wir eben nicht wollen, dass das Ganze missverstanden wird als Disneyworld, sondern wir wollen verständlich sein, das ist unsere Interpretation. Also wir glauben, das ist die bestmögliche Lösung für diese Bauten."

Der alte Sommerpalast Yuanming Yuan ist ein Sinnbild für die letzten 300 Jahre der chinesischen Dynastiegeschichte. Die mandschurischen Kaiser ließen im Nordwesten von Beijing eine riesige Anlage errichten, die als Rückzugsgebiet der beschäftigten Herrscher diente. Dieser großartige Kaisergarten wurde im Jahr 1860 von einem anglofranzösischen Invasionsheer geplündert und verwüstet. Bis heute sind sich Archäologen uneinig, ob die Ruinen des Gartens restauriert werden sollen. Alexandra Harrer spricht sich gegen eine Restauration nach herkömmlicher Art aus und tritt stattdessen für die digitale Form der Rekonstruktion ein.

„Vor allem ist es eine zerstörungsfreie Sache, es ist also eine sehr harmonische Sache. Und es ist insofern, weil, wenn man zum Beispiel etwas aktiv nachbauen möchte, läuft man immer in das Problem, welche Zeitphase baut man nach von so einem großen Ensemble, das eine 300-jährige Geschichte hat, und in der 300-jährigen Geschichte viele Änderungen erlebte. Welche Phase dieser 300 Jahre baue ich jetzt wirklich nach? Wenn man das ganze digital macht, hat man die Möglichkeit, verschiedene Zeitphasen zu überlagern. Das heißt, der Benutzer von einer digitalen Anwendung kann sich dann selber aussuchen, welche Bauphasen er sich anschauen möchte und diese untereinander vergleichen."

Die Ausstellung der Tsinghua-Universität präsentiert überdies einige Kupferstiche, die von der österreichischen Künstlerin Barbara Salaun geschaffen wurden. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Experten für digitale Rekonstruktion schuf die Künstlerin auf Grundlage der westlichen Kunsttechnik eine Interpretation chinesischer Architekturen. Salaun sieht Kunst als einen weiteren wichtigen Ansatz an, um das verloren geglaubte Kulturerbe zu erhalten:

„Zu dieser Zeit haben sie mir einen Film gezeigt mit der digitalen Rekonstruktion des alten kaiserlichen Sommerpalasts. Und diese Bilder haben mich in der Sekunde inspiriert und dazu veranlasst, sofort zu versuchen, erste Kupferplatten herzustellen, zu schauen, wie kann man damit umgehen. Es ist natürlich schon eine Herausforderung gewesen, dass das Bildmaterial ausschließlich in digitaler Form vorhanden war, auf der einen Seite natürlich auch eine Überlegung anzustellen, wie man die digitale Bearbeitung umsetzt, damit man künstlerisch damit arbeiten kann. Ich hoffe, dass wir hier einen Weg gefunden haben, meinen sehr reduzierten Zugang zur künstlerischen Umsetzung zu verbinden, mit den digitalen Rekonstruktionsbildern dieser wunderbaren Gartenanlage."

Das ganze Projekt für die digitale Rekonstruktion des Yuanming Yuan kann so als ein internationales Kooperationswerk verstanden werden. Die Experten aus dem In- und Ausland kamen mit den diesmaligen Bemühungen einen großen Schritt voran, so dass die einstigen Bauten mithilfe der dreidimensionalen Computertechnik zu neuem Leben erweckt wurden. Die digitale Rekonstruktion hat Potential, zur Zukunft eines zerstörungsfreien Denkmalschutzes aufzusteigen, wie Harrer eruiert.

„Ich habe große Hoffnungen, weil das Interesse besteht. Also auch zum Beispiel in Österreich und China, das Interesse besteht für einen Austausch von Informationen, und wir haben schon angefangen, vor drei Jahren glaube ich, haben wir das erste Expertenseminar organisiert, wo ein Austausch zwischen Experten vom Weltkulturerbe aus Hallstatt und aus Dengfeng in China, wo der Shaolin-Kloster ist. Da ging es zwar auch nur am Rande um digitalen Denkmalschutz, aber es ging eben vor allem um einen Austausch von Methoden und Technologien zur Kulturerhaltung."

Aufgrund der großen Erfolge im digitalen Denkmalschutz von Beijing wird nun eine Ausweitung des Projektes folgen. Auch die kulturhistorischen Werke in anderen Städten Chinas sollen von der „harmonischen Rekonstruktion" profitieren können.

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