NVK und PKKCV in China
Nahrungssicherheit, Umweltschutz, Wirtschaftsreformen – und auch mehr Geld fürs Militär
(German.people.cn)
Donnerstag, 13. März 2014
Von Marc-Stephan Arnold, Frankfurt a.M.
In China finden derzeit zwei wichtige politische Tagungen statt: der Nationale Volkskongress (NVK) und die Politische Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (PKKCV). Auf den großen Versammlungen werden wichtige Themen besprochen und die Weichen für Chinas Zukunft gestellt. Viele westliche Medien interessieren sich unterdessen nur für Chinas steigende Militärausgaben.
Es könnte so einfach sein, in diesen Tagen einen interessanten und informativen Artikel über die Entwicklung Chinas zu schreiben. Der NVK und die PKKCV bieten sich geradezu dafür an, einen objektiven Bericht sowohl über die Probleme als auch über die Chancen und positiven Entwicklungen im Reich der Mitte zu schreiben. Doch die meisten westlichen Medien, gerade auch in Deutschland, scheinen das einfach nicht übers Herz zu bringen. Stattdessen wird hierzulande voller Genuss auf der Tatsache herumgeritten, dass China seine Militärausgaben erhöhen will.
So schreibt beispielsweise Stephan Scheuer von der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass die Modernisierung der Streitkräfte „das zentrale Ziel“ der Führung in Peking sei. Dabei gibt es nur ein Problem mit dieser These Scheuers, nämlich die Worte „das“, „zentrale“ und „Ziel“ – alle drei sind falsch. Die Modernisierung der Streitkräfte ist nicht „das zentrale Ziel“, sondern nur eines der (vielen) Ziele Beijings. Wollte man ein einziges, zentrales Ziel benennen, so müsste man es wohl mit der „umfassenden Reform der Wirtschaftstruktur“ probieren, denn kein anderes Ziel wird von Chinas politischer Führung im Moment derzeit so in den Vordergrund gestellt, wie dieses. Stattdessen schreibt Scheuer aber lieber von der Angst, die Chinas Nachbarn angeblich wegen der Aufrüstung des Reiches der Mitte empfinden.
Wenn man diesen dpa-Artikel und viele andere Berichte über den NVK und die PKKCV liest, dann weiß man, dass man von den meisten deutschen Medien – zumindest in Bezug auf China – offenbar keine objektive Berichterstattung mehr erwarten kann. Zu verführerisch scheint es, mit der Angst vor China die Auflagenzahlen nach oben zu schrauben.
Doch dass auf den zwei wichtigen Sitzungen auch andere Dinge besprochen werden, die nicht nur für China und seine Bevölkerung von über 1,3 Milliarden, sondern für die ganze Welt von großer Bedeutung sein können, wird dabei meistens verschwiegen.
Um den Lesern, die sich wirklich für China interessieren, einen umfassenderen Eindruck von dem zu geben, was derzeit auf den zwei großen politischen Versammlungen besprochen wird, hier nun eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Themen:
Nahrungssicherheit und Gentechnik
Die Nahrungssicherheit ist für die chinesische Regierung seit jeher eines der wichtigsten Themen. Bei einer Bevölkerung von über 1,3 Milliarden Menschen ist das auch kein Wunder. Doch auch in China wird die Gentechnik kontrovers diskutiert. Wie hält es die chinesische Regierung mit der Gentechnik?
Laut dem stellvertretenden Landwirtschaftsminister Niu Dun erlaubt China die gentechnische Veränderung von Grundnahrungsmitteln nicht. Es gebe bisher nur wenige Produkte, bei denen gentechnische Veränderungen erlaubt seien – wie zum Beispiel Baumwolle. Dennoch müsse das Land – allein schon wegen seiner riesigen Bevölkerung – bei diesem Thema „am Ball bleiben“ und bei der Erforschung der Gentechnik „weltweit einen der vorderen Plätze belegen“, so Niu.
Umweltschutz: 600 Milliarden Euro für eine bessere Umwelt
Wie der stellvertretende Umweltminister Wu Xiaoqing am Samstag mitteilte, wird China während des zwölften Fünfjahresplans (2011-2015) insgesamt mehr als 5 Billionen Yuan (über 600 Mrd. Euro) für den Umweltschutz ausgeben. Im laufenden Jahr werde man sich dabei hauptsächlich mit dem Thema Energieeinsparungen befassen.
Die Umweltpolitik ist einer der wichtigsten Schwerpunkte für die chinesische Regierung. Gerade für deutsche Unternehmen, die über hervorragende Umwelttechnologien verfügen, bietet sich hier eine große Chance.
Wirtschaftsreformen – mehr Macht für den Markt
China hat am Dienstag die Gründung von fünf Privatbanken genehmigt. Die privaten Geldinstitute sollen hauptsächlich kleinen Unternehmen und ländlichen Kommunen Finanzdienstleistungen anbieten. Des Weiteren hat die chinesische Zentralbank verkündet, in den nächsten ein bis zwei Jahren den Zinsmarkt vollständig liberalisieren zu wollen.
Darüber hinaus hat der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang in seinem Rechenschaftsbericht angekündigt, dass die chinesische Regierung den Verwaltungsapparat verschlanken und die Genehmigungsverfahren für ausländische Unternehmen vereinfachen werde.
Insgesamt soll die chinesische Wirtschaft also liberalisiert und dem Markt mehr Macht bei der Verteilung der Ressourcen übertragen werden. Zusammen mit dem in den letzten Jahren deutlich verbesserten Rechtssystem bietet dies ausländischen Investoren mehr Chancen, und vor allem: mehr Sicherheit.
Militärausgaben steigen
Zugegeben: China will seine Militärausgaben erhöhen. Die chinesische Regierung gibt einen Betrag für das Militär aus, der nicht ganz zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Chinas entspricht. Chinas BIP wiederum ist etwa halb so groß wie das der USA, doch die Vereinigten Staaten geben ungefähr fünf Prozent ihres BIPs für das Militär aus – insgesamt also mehr als fünf Mal so viel wie China.
Das moderne China
Selbst die hier aufgeführten Themen stellen freilich nur einen kleinen Anteil dessen dar, was auf vom NVK und der PKKCV besprochen wird. Doch schon dieser kleine Überblick zeigt, dass die Konzentration vieler westlicher Medien auf die gestiegenen Militärausgaben Chinas vielleicht ein bisschen einseitig und übertrieben ist.
Stattdessen könnte man schreiben, dass China auf dem Weg ist zu einer freien Marktwirtschaft, dass das Land seine Probleme sehr ernstnimmt, Themen wie Umweltschutz und Gentechnik im modernen China öffentlich und kontrovers diskutiert werden, und dass eine große Anzahl von Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung an der Lösung der Probleme mitwirken will und nach ihrer Meinung gefragt wird.
Ein solcher Tatsachenbericht würde ein realistischeres Bild des modernen China liefern. Ob sich die westlichen Medien aber dazu durchringen können, bleibt weiterhin fraglich.