Fünf Gründe, warum China funktioniert
(German.china.org.cn)
Donnerstag, 13. März 2014
von Zhang Weiwei
Ist Chinas außerordentlicher Aufstieg ein Beispiel für wirtschaftliche Reformen ohne politische Reformen? Ist das politische System die Achillesferse Chinas? Ist Chinas Einparteienherrschaft angesichts der wachsenden Herausforderungen einer stärker diversifizierten Wirtschaft und anspruchsvollen Gesellschaft zum Scheitern verurteilt?
Das sind Fragen, die im Westen oft gestellt werden, wenn das Thema China aufgegriffen wird. Doch viele Theorien, die der Westen bei der Behandlung der China-Frage hat, könnten widerlegt werden, wenn man China aus der chinesischen Perspektive betrachten würde. Die politische Führung Chinas, die neue Herausforderungen stets mit kleinen Reformen meistert, spielt eine entschiedene Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg Chinas.
Im Folgenden werden fünf Punkte der politischen Führung Chinas genannt, die besondere Aufmerksamkeit verdienen:
1. Das Einparteiensystem
In der Regierungsführung hat sich in China wenig geändert. In der meisten Zeit in den letzten zwei Tausend Jahren seit der Reichsvereinigung im Jahre 221 vor Chr. gab es in China eine Art Einparteienherrschaft. Die meiste Zeit über hatte China eine bessere Regierungsführung und Wirtschaft als Europa zur selben Epoche. Obwohl China, als es seine Toren zur Außenwelt verschloss und somit die weltweite industrielle Revolution verpasst hatte, von Europa überholt wurde, holt es nun wieder mit rasanter Geschwindigkeit auf.
In diesem Kontext ist das Wort "Partei" die falsche Bezeichnung für die Kommunistische Partei (KP) Chinas, da sie beispielsweise mit den republikanischen und demokratischen Parteien der USA, die das Interesse der Gesellschaft repräsentieren und gegeneinander konkurrieren, keine Gemeinsamkeiten hat. Die KP Chinas repräsentiert, auf seine eigene, politische, traditionelle, chinesische Art, die Interessen der großen Mehrheit des Volkes, das wiederum auch bis jetzt von der Mehrheit des Volkes akzeptiert wird, da sie der Meinung sind, dass sich ihr Lebensstandard in den letzten dreißig Jahren deutlich verbessert hat.
Die KP Chinas sollte in diesem Zusammenhang als "Staatspartei" oder, aus amerikanischer Sicht, als eine Mischung aus republikanische und demokratische Partei, in der Ideen- und Kompetenzwettbewerb die Norm ist und Konsens und Motivationsgeist belohnt werden. Wie auch die Sowjetunion könnte der chinesische Staat unregierbar werden und auseinanderbrechen, wenn China westliche politische Systeme annimmt. Im Einklang mit seiner eigenen Tradition und den verschiedenen Anpassungen, funktioniert dieses leistungsorientiertes System sehr gut für China. Obwohl dieses System nicht vollkommen ist, kann es mit den anderen politischen Modellen in der Welt aufnehmen.
2. Neo-demokratischer Zentralismus
Chinas Erfolg ist untrennbar mit seinen reformierten Entscheidungsprozessen, die als neo-demokratischer Zentralismus oder als moderne Form des demokratischen Zentralismus beschrieben werden können. Diese Form des Entscheidungsprozesses, die aus der Zeit der Sowjetunion stammt und bei dem es mehr um Zentralismus als um Demokratie geht, wurde von China verbessert und Chinas Prinzip des demokratischen Zentralismus angepasst. Bei diesem System bedarf der Fünf-Jahresplan einer Vorbereitung von einem Jahr mit umfassenden und interaktiven Konsultationen auf verschiedenen staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen. Bei einem derartig hohem Grad an Legitimität, besteht in der Regel keine Notwendigkeit, die Entscheidungen des Staates, der Öffentlichkeit zu verkaufen, so wie es die USA macht. Sobald die Entscheidungen in Beijing getroffen werden, sind diese in der Regel bereit für die Überprüfung und Durchführung oder werden in diversen Pilotprojekten getestet.
3. Schaffung der Nachfrage
Die Zyklen der institutionellen Konsultationen und politischen Debatten in wichtigen Entscheidungsprozessen wecken in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung große, meist positive Erwartungen bei der Öffentlichkeit. Diese Erwartungen wiederum schaffen eine mittel- bis langfristige Nachfrage. Der FünfJahresplan zieht die Aufmerksamkeit des Großteils der chinesischen Gesellschaft auf sich, von Privatunternehmen bis zu Staatsbetrieben, usw. Die Tatsache, das China sein BIP-Wachstum drei Jahrzehnte lang bei über neun Prozent lag, liegt zum Großteil an den regelmäßigen und vorhersehbaren Zyklen der Erwartung und der Schaffung der Nachfrage.
4. Entwicklungsverwaltung
Man kann sagen, dass China sein eigenes Modell der Entwicklung geschaffen hat, das, im Kontrast zur öffentlichen Verwaltung, als "Entwicklungsverwaltung" bezeichnet werden kann. Chinas Fünfjahresplan und die jährliche Wirtschaftskonferenz der KP Chinas sind definitiv Teil dieser Entwicklungsverwaltung. Dasselbe gilt für viele andere lokale Entwicklungsstrategien und Pläne. Chinesische Universitäten werden eines Tages vielleicht Kurse und sogar Studiengänge in diesem Bereich anbieten. Doch dieser Studiengang wäre in China einzigartig, da der chinesische sozialistische Markt sich nicht nur der keynesianischen Instrumente wie der Fiskal- und Geldpolitik bedient, sondern auch auf andere Instrumente zurückgreift, die in anderen Ländern nicht verfügbar sind, wie beispielsweise das staatliche Besitz des Grundstücks und der strategischen Ressourcen sowie eine große Menge von starken staatseigenen Unternehmen.
5. Die "Wünsche und Gefühle des Volkes" und die "öffentliche Meinung"
Hinter den oben genannten Punkten verbirgt sich die chinesische Philosophie des Regierens, darunter auch die Konzepte "Wünsche und Gefühle des Volkes" und "öffentliche Meinung", die erstmals durch Menzius (372-289 vor Chr.) dargelegt wurden. Während sich die öffentliche Meinung über Nacht ändern kann, sind die Wünsche und Gefühle des Volkes meist über einen längeren Zeitraum gleichbleibend und spiegeln die langfristigen Interessen des Volkes wider. In den letzten 30 Jahren hat der chinesische Staat, trotz des gelegentlichen Druckes, welches durch die "öffentliche Meinung ausgeübt wurde, nach den Regeln der "Wünsche und Gefühle des Volkes" regiert. Auf diese Weise kann China, im Gegensatz zu vielen westlichen Ländern, mittelfristige bis langfristige Pläne und sogar Pläne für die nächste Generation machen.
Der Autor ist Direktor des Zentrums für Forschung des chinesischen Entwicklungsmodels an der Fudan-Universität in Shanghai.