Erstmals seit mehr als zehn Jahren sinkt die Zahl der Chinesen, die sich für ein Studium in den USA entscheiden. Amerikanische Wissenschaftler führen dies auf die Wahl von Donald Trump, Visarestriktionen und eine einwanderungskritische Stimmung im Land zurück.
Immer weniger Chinesen entscheiden sich für ein Studium in den USA. Seit einem Jahrzehnt stieg die Zahl der chinesischen Bachelorstudenten, die zum Studium in die USA gingen, kontinuierlich. Doch im Herbst 2017 sei die Zahl erstmals seit vielen Jahren gesunken, berichtete Rahul Choudaha, ein Wissenschaftler am Center for Studies in Higher Education an der University of California, Berkeley.
Einige Institutionen, zum Beispiel die Universitäten von Oregon und Illinois, hätten einen dramatischen Einbruch in den Einschreibungszahlen chinesischer Studenten erlebt, vor allem in den MINT-Fächern (Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik), wie Choudaha sagte.
Nach seiner Analyse der Daten der National Science Foundation sank die Zahl der chinesischen Bachelorabsolventen im Herbst 2017 um 1920 im Vergleich zum Herbst des Vorjahres. Die Gesamtzahl der chinesischen Bachelorstudenten fiel im Herbst 2017 um 110. Der Rückgang könnte Choudaha zufolge einen neuen Trend markieren.
„2006 betrug die Zahl der chinesischen Studenten noch 10000, 2016 stieg die Zahl auf 142000. Dann kehrte sich die Entwicklung wieder um“, schilderte er. Dazu hätten verschiedene Faktoren geführt, einer davon sei die Anti-Einwanderungsrhetorik und das damit verbundene abweisende Klima im Land, sagte er.
„Die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten hat das Narrativ der USA als einwanderungsfreundliches Land verändert, insbesondere auf der Ebene der Bachelorstudiengänge, bei denen Familien die Entscheidung für ein Auslandsstudium gemeinsam treffen und dabei auch die Wahl der Schüler und deren Sicherheit in Betracht ziehen“, erläuterte Choudaha.
Vor allem gebe es Restriktionen, was die Länge von Visa für Studenten und Wissenschaftlern betreffe, die in sensiblen Bereichen forschen. Nach einem Bericht der Financial Times erwog die amerikanische Regierung sogar, alle Chinesen vom Studium in Amerika auszuschließen, verwarf diesen Plan jedoch wieder.
„Jede problematische Visavergabe, jedes Mal, wenn jemand der Meinung ist, Chinesen seien in den USA nicht willkommen, ist meiner Ansicht nach nicht nur moralisch falsch, sondern auch wirtschaftlich dumm“, sagte Robert Merges, Rechtsprofessor in Berkeley, am Dienstag auf einer Paneldiskussion über die amerikanisch-chinesischen Beziehungen.
„Jeder, der hierher kommen und einen Beitrag leisten möchte, der sollte willkommen sein. Es gab in Amerika eine Zeit, als dies noch unsere Grundüberzeugung war. Über unsere heutigen Grundüberzeugungen bin ich ein wenig besorgt“, sagte er. Wirtschaftlich betrachtet sei es dumm, Menschen abzuweisen, die etwas lernen und einen Beitrag leisten wollen.
Shiyan Gong, eine auf Einwanderungsrecht spezialisierte Anwältin im Silicon Valley, berichtete, dass die strengeren Voraussetzungen für die H1B-Spezialistenvisa viele ihrer Klienten von einer Arbeitsaufnahme in den USA abhalten würden.
„Alle chinesischen Studenten wollen nach ihrem Studium Berufserfahrung in den USA sammeln, selbst wenn sie planen, später nach China zurückzukehren“, sagte Gong. „Viele haben Angst. Der Mangel an Arbeitsmöglichkeiten könnte die Wahl der Universität von künftigen Studenten beeinflussen.“
China stellt die größte Zahl ausländischer Studenten in Amerika. Im vergangenen Jahr kamen 350.755 der ausländischen Studenten aus China, das sind etwa 35 Prozent, wie aus einer Studie von Open Doors hervorgeht.