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Der deutsche Botschafter Michael Clauss zum G20-Gipfel in Hangzhou

(German.people.cn)
Freitag, 02. September 2016
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Deutschland ist mit der Agendasetzung der chinesischen Präsidentschaft sehr zufrieden, erhofft sich vom Gipfel verbindliche Beschlüsse gegen Protektionismus sowie für Strukturreformen, Unterstützung der Innovation und gemeinsame Ansätze zum Thema Migration.

People's Daily: Die G20 haben eine wichtige Aufgabe, um ökonomischen Risiken und Herausforderungen zu begegnen und bei der Bewältigung derselben gleichzeitig weltwirtschaftliches Wachstum zu fördern, die Global Governance voranzutreiben und einen wichtigen Mechanismus dafür zu entwickeln. Was ist Ihrer Meinung nach die Rolle der G20 bei der Reform der Global Governance?

Michael Clauss: Die G20 haben natürlich eine zentrale Funktion. Es sind die 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen, die zusammenkommen, die 80 Prozent der Weltwirtschaft repräsentieren. Da viele der Wirtschaftsprobleme und die Wachstumskrise globale sind und globale Auswirkungen besitzen, ist es natürlich das zentrale Forum, um Fragen wie die Ankurbelung des globalen Wachstums sowie die Beseitigung von Hindernissen anzusprechen und im informellen Rahmen zu diskutieren.

Allerdings darf man auch die Schwierigkeiten nicht übersehen. Die G20 ist natürlich ein sehr heterogenes Gremium von 20 souveränen Mitgliedsstaaten und es gibt keine Mehrheitsentscheidungen oder ähnliche Mechanismen. Es ist natürlich schwer, in diesem Rahmen angesichts teilweise unterschiedlicher oder diametral entgegengesetzter Interessen einen Konsens zu erzielen. Sie sehen zum Beispiel die Ungleichzeitigkeit einer Zinspolitik, die einen setzen rauf, die anderen setzen runter, um nur ein Beispiel von vielen möglichen zu nennen.

Ein weiteres Problem in der Vergangenheit war, dass die G20 was die Umsetzung von einmal getroffenen Beschlüssen betrifft noch kräftig Luft nach oben hat. Viele der Beschlüsse, die 2008 im Lichte der Finanzkrise getroffen wurden, sind bis heute nicht umgesetzt.

Eine Möglichkeit in dem begrenzten Rahmen, den man zur Förderung der Umsetzung von Beschlüssen hat, ist die Einrichtung von Taskforces. Ich glaube, dass wir erleben werden, dass auch der Gipfel in diese Richtung denken und diskutieren wird.

Die G20 ist eine internationale Governance-Plattform mit einer sehr breiten und hohen Repräsentativität. Vor dem Hintergrund einer sehr schwachen wirtschaftlichen Erholung und zunehmenden Risiken muss die G20 ihre politische Koordination dringend verbessern. Was sind Ihre Vorschläge für eine Transformation der G20 und wie kann man langfristige Governance-Mechanismen aufbauen?

Ich glaube, es wird sehr von der Bereitschaft der 20 souveränen Mitgliedsstaaten abhängen, mehr Verbindlichkeit zu schaffen und vielleicht auch die Bereitschaft zu zeigen, einmal getroffene Beschlüsse wirklich umzusetzen. Erzwingen kann man es nicht. Es hängt also von der Einsicht der Beteiligten ab.

Mit anderen Worten: Die G20 werden keine Weltregierung werden, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Sie sollten verbindlichere Beschlüsse treffen und es sollte mehr Bereitschaft da sein, diese Beschlüsse umzusetzen. Das ist ein mühsamer Prozess, aber ich glaube, dass wir diesen Weg gehen müssen.

Welche Ideen, Vorschläge oder Gedanken haben Sie für die Einrichtung eines ständigen oder langfristigen Mechanismus?

G20-Gipfel und G20-Präsidentschaften rotieren ja schon jedes Jahr. Es gibt schon ein hohes Maß an Kontinuität und eine gewisse Regelhaftigkeit, was glaube ich sehr wertvoll ist. Bevor man daran denkt, jetzt noch weitere Institutionen aufzubauen, sollte der Akzent erst einmal darauf liegen, dass die einmal getroffenen Beschlüsse tatsächlich umgesetzt werden. Das scheint mir das größte Problem und das größte Defizit der gegenwärtigen G20 zu sein.

Bundeskanzlerin Merkel wird am diesjährigen Gipfel teilnehmen. Was sind die deutschen Erwartungen und Ansichten über die Punkte, die China als wichtige Ergebnisse des Gipfels sehen möchte. Es gibt zehn Punkte, unter anderem in den Bereichen Innovation, Strukturwandel, nachhaltige Entwicklung und weltweite Institutionen. Welche der angestrebten Punkte sind für Deutschland am wichtigsten, welchen schenkt Deutschland am meisten Aufmerksamkeit und welche Chancen und Möglichkeiten ergeben sich daraus für die deutsch-chinesischen Beziehungen und die Zusammenarbeit.

Wir sind mit der Agendasetzung sehr zufrieden und die Prioritäten sind richtig gesetzt. Es geht um die Frage, wie das globale Wachstum angekurbelt werden kann. Die Betonung des Kampfs gegen den Protektionismus, Strukturreformen und Innovation ist aus unserer Sicht absolut richtig. Wir hoffen, dass es hier ehrgeizige Ergebnisse geben wird.

Es ist gut, dass China das Thema Nachhaltigkeit, insbesondere das Thema Klimawandel auf die Tagesordnung gesetzt hat. Noch nicht alle G20-Staaten haben die Ergebnisse von Paris ratifiziert. Es wird auch darum gehen, dass man jetzt einen transparenten und konsequenten Umsetzungsprozess hat, um diese ehrgeizigen Ziele, die man in Paris unterzeichnet hat, umzusetzen.

Ein weiteres Thema, das uns sehr wichtig ist, ist das Thema Migration. Wir erleben derzeit weltweit enorme Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten, aus Afrika und selbst aus Ländern wie Afghanistan, die von Deutschland weit entfernt sind. Viele haben Deutschland zum Ziel, deswegen ist es für uns ein wichtiges Thema. Wir glauben aber, dass es nicht nur ein deutsches Problem ist, sondern ein globales und G20-Thema, das auch in einem solchen Rahmen behandelt werden muss.

Wenn wir zum Beispiel über den Grund für viele dieser Fluchtursachen reden, nämlich Syrien, dann sitzen viele der entscheidenden Akteure in Hangzhou gemeinsam an einem Tisch.

Und zur deutsch-chinesischen Kooperation?

Hier gibt es Anknüpfungspunkte vielerlei Art. Insbesondere das Thema Innovation möchte ich hervorheben. Die Zusammenarbeit in diesem Bereich hat bereits begonnen und wird weiter intensiviert auf dem Gebiet technologischer Innovation, festgemacht an den Begriffen „Industrie 4.0“ und „Made in China 2025“.

Hier gibt es bereits eine Zusammenarbeit zwischen den Regierungen, Forschungsinstituten und zunehmend auch zwischen den Unternehmen. Diese wollen wir massiv steigern. Ich glaube, dass es sich um eines der ganz zentralen Projekte der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit, vielleicht das zentrale Projekt überhaupt für die nächsten Jahre handelt.

Um diese Zusammenarbeit massiv weiter intensivieren zu können, ist es auch wichtig, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Es ist besonders wichtig, dass das Cyber-Sicherheitsgesetz, das derzeit in den legislativen Körpern in der Beratung ist, so gestrickt wird, dass es Innovation in diesem Bereich nicht erschwert oder sogar unmöglich macht, denn hier, bei der „Industrie 4.0“ und „Made in China 2025“, wird das Gesetz bezüglich des Transfers und des entsprechenden Schutzes von Daten sehr schwer ankommen.

Haben Sie noch andere Anmerkungen oder Wünsche, die Sie dem G20-Gipfel mitgeben wollen?

Ich rechne damit, dass es nicht nur ein wichtiger, sondern auch erfolgreicher Gipfel wird. Er scheint mir sehr gut vorbereitet zu sein. Alles andere und die Dynamik werden wir in den nächsten zehn Tagen erleben.

Wir wünschen uns ein klares Bekenntnis gegen Protektionismus und für Marktöffnung sowie ein Signal, dass man anfängt Strukturreformen zu implementieren. Wir sind davon überzeugt, dass es ein nachhaltiges Wachstum nur geben kann, wenn man auch entsprechend die Bedingungen schafft, also Marktöffnung und Marktwirtschaft hat und den Arbeitsmarkt öffnet. Dieses Thema geht alle G20-Mitglieder an. Man sollte nicht versuchen, ein kurzfristiges Strohfeuer zu entfachen, indem man mehr Geld hineinpumpt, denn es wird im Zweifelsfall nur dazu führen, dass die Schuldenberge, die jetzt schon vielfach bedrohliche Ausmaße erreicht haben, weiter wachsen.

Vielen Dank, Herr Botschafter!

Ich danke Ihnen auch! 

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