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Der G20-Gipfel in Hangzhou kommt zur rechten Zeit

(German.people.cn)
Dienstag, 30. August 2016
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Von Martin Jacques, People’s Daily

Der bevorstehende G20-Gipfel kommt zu einem angemessenen Zeitpunkt in der Entwicklung von Chinas Beziehungen mit der Weltwirtschaft und ihrer Ordnungspolitik.

Chinas einstiger Einstieg in die Weltwirtschaft wurde 2001 durch die Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) markiert. Durch mehr als ein Jahrzehnt mit einem durchschnittlichen Handelswachstum von 10 Prozent wurde China zur größten Handelsnation der Welt. Auch die Auslandsinvestitionen steigen rasant, trotz einer bescheidenen Ausgangslage. China entschied sich dazu, sich nicht in den Vordergrund zu drängen, während es sich in seinen neu erworbenen Status einfindet.

Doch in den letzten zwei Jahren hat sich China von einem passiven Spieler zu einem beständig proaktiveren gewandelt. Statt ein Mitläufer zu sein, wird es immer mehr zum Macher und Former der Globalisierung. China kann nicht länger als Trittbrettfahrer angesehen werden, was ohnehin immer schon eine unfaire Beschuldigung gegen ein Entwicklungsland als relativen Neuling in der Weltwirtschaft gewesen ist. Die beiden offensichtlichsten Beispiele von Chinas neuer Rolle sind die Gründung der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB), welche die mit Abstand größte Einrichtung für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten in Asien darstellt und Mitglieder aus Asien und Europa aufweist. Des Weiteren gibt es die „Belt and Road“-Initiative, welche verspricht, das ambitionierteste multinationale Entwicklungsprogramm aller Zeiten zu werden.

Das größte einzelne Probleme, mit welchem sich China als Gastgeber und Vorsitzender des G20-Gipfels konfrontiert sieht, ist die Ausweitung und Vertiefung des globalen Einflussbereichs durch eine Reihe von Maßnahmen – AIIB, OBOR, Auslandsinvestitionen, die wachsende Rolle des Yuan und die Internationalisierung der Unternehmen – während das Wachstum des Welthandels und die Investitionen sich verringern. Noch ärger sind die immer deutlicher werdenden Anzeichen im Westen für einen populistischen Aufruhr gegen die Globalisierung. Die dramatischste Illustration dieses Trends ist der Aufstieg der US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Bernie Sanders und ihr Argument, dass die Globalisierung den Löhnen und Berufsaussichten der US-amerikanischen Arbeiterklasse schaden würde. Das andere Beispiel ist das Brexit-Referendum in Großbritannien, bei dem die britische Bevölkerung nach 41 Jahren Mitgliedschaft mit 52 Prozent für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt hatte. Durch diese Entwicklungen wird die zentrale Frage aufgeworfen, ob die Dynamiken der Globalisierung wanken und sich beginnen zu fragmentieren.

Diese Entwicklungstendenzen können nicht beiseite gewischt werden, da sie eine zunehmende Unterstützung der Öffentlichkeit in den USA, Großbritannien und anderswo erfahren. Das Problem ist nicht die Globalisierung an sich, sondern die Art von Globalisierung, welcher bisher nachgegangen wurde. Große Bevölkerungsteile in den USA und Europa haben von ihr nicht profitiert, während es eine reiche Minderheit konnte. Dadurch wurden Ungleichheit und Unmut noch verschlimmert.

Die vier Themen des Gipfels sind von hoher Bedeutung. „Einen neuen Weg des Wachstums einschlagen“ ist ein Kernproblem der Weltwirtschaft, da das Wachstum schwächelt. Das wird am besten durch die Situation in Europa und den USA deutlich. Der Westen hat sich niemals wirklich von der Finanzkrise erholt und zeigt auch keine Anzeichen dafür. Die EU-Wirtschaft ist nur knapp größer als 2008 und sieht sich nun mit einer fast sicheren Aussicht auf ein verlorenes Jahrzehnt konfrontiert. Die Vereinigten Staaten haben sich etwas besser geschlagen, doch die Wachstumsrate bleibt ebenfalls enttäuschend. Die ergriffenen Maßnahmen gegen die Stagnation waren sowohl in den USA als auch in Europa höchst unzureichend. Sie stützten sich überwiegend auf Geldpolitik, vor allem quantitative Lockerungen, was es nicht bewerkstelligen konnte, das Wachstum wiederzubeleben. Die Weltwirtschaft wird durch eine Wachstumsabschwächung, einer Stagnation im Westen, einer schwächelnden Integration und einem Trend zur Fragmentierung bedroht. Es ist mittlerweile klar, dass die westliche Finanzkrise das Ende des Globalisierungszeitalters markiert, welches um 1980 begann und in eine neue Ära eines extrem niedrigen Wirtschaftswachstums im Westen übergegangen ist.

China ist deshalb so bedeutend, weil es gemessen an weltweiten Standards immer noch rasant wächst und sich immer noch der Globalisierung und weiteren Verflechtung verpflichtet sieht. Das Land befindet sich in einer machtvollen Position – durch seine Leistungen und sein Bekenntnis zur Globalisierung – und bietet ein anderes Modell für zukünftiges Wachstum, Kooperation und ein andere Form der Globalisierung. Der Westen muss eine andere politische Antwort finden, welche das Bedürfnis zur effektiven Nachfrage anerkennt. Dieses Ziel kann nicht allein durch geldpolitische Maßnahmen erreicht werden. Die USA haben beispielsweise eine verfallende Infrastruktur, welche das Wachstum beeinträchtigt. Es müssten große Mengen Gelder für die Erneuerung der Infrastruktur bereitgestellt werden, wie es die USA einst in den 1930er Jahren mit dem „New Deal“ taten.

Abschließend soll noch auf die zweite Priorität des Gipfels eingegangen werden: „Effektivere und effizientere Weltwirtschaft und finanzielle Ordnungspolitik“. Offensichtlich gibt es in diesem Bereich eine grundlegende Krise. Um das zu verstehen, braucht man kein Genie sein. Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft hat sich in den letzten 40 Jahren dramatisch in Richtung der Entwicklungsländer verschoben: Mitte der 1970er Jahre kamen die Industrieländer für zwei Drittel des weltweiten BIP auf. 2030 wird ihr Anteil schätzungsweise bei einem Drittel liegen. Doch die formale wirtschaftliche Ordnungsstruktur hat sich in den letzten Jahrzehnten vergleichsweise wenig gewandelt.

Die beiden bedeutendsten Entwicklungen sind die faktische Ersetzung der G7 durch die G20 und die nachträglichen Änderungen der Wahlsysteme des IWF und der Weltbank. Auf informeller Ebene gab es weit mehr dramatische Veränderungen, insbesondere die Gründung der AIIB und der Neuen Entwicklungsbank und der Aufstieg des Yuan als internationale Währung. Die „Belt and Road“-Initiative deutet auch auf neue bilaterale und multilaterale Steuerungsmodelle hin. Diese Änderungen sind der Keim einer neuen Struktur der globalen Ordnungspolitik, die sich im Prozess der Entstehung befindet.

Natürlich geht es bei der Ordnungspolitik um Macht und Machtverschiebung. Das Problem mit der heutigen formalen Struktur ist, dass sie nicht mehr die Verteilung der wirtschaftlichen Macht auf der Welt widerspiegelt. Eine wichtige Folge davon ist, dass der IWF und die Weltbank nicht mehr die Art von Ressourcen zur Verfügung haben, die erforderlich sind, um eine viel größere Weltwirtschaft zu finanzieren, die zunehmend in den Entwicklungsländern konzentriert ist. Die beiden Organisationen sind zum größten Teil auf westliche Länder und Japan angewiesen. Man hätte meinen können, dass eine offensichtliche Funktion für die Weltbank die Finanzierung der infrastrukturellen Entwicklung in Asien gewesen wäre. Aber da es eine westliche Einrichtung ist, hat sie weder die Mittel noch den politischen Willen oder Prioritätensetzung, um dies zu tun.

Angesichts des Zustands des Westens und der Tatsache, dass Wahlen in den USA, Deutschland und Frankreich anstehen, sind die Aussichten für jede Art von größeren Durchbrüchen auf dem G20-Gipfel trübe. Es dauerte fast ein Jahrzehnt bis der erste G20-Gipfel nun in China stattfindet. Angesichts der Tatsache, dass China (zusammen mit einer robusten indischen Wachstumsrate) derzeit mit Abstand die positivste Entwicklung der Weltwirtschaft darstellt und das Herzstück der Zukunft der Weltwirtschaft und Ordnungspolitik bildet, stellt der Hangzhou-Gipfel ein historisches Ereignis dar. Wenn China einige neue einfallsreiche Vorschläge auf dem Gipfel vorbringen würde, könnte der Gipfel tatsächlich zu einer erinnerungswürdigen Veranstaltung gemacht werden.

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