Von Ge Feili, Beijing
Deutschland und China altern rasant und rechnen in den nächsten Jahrzehnten mit einem enormen Pflegekräftemangel. Durch eine Zusammenarbeit in der Pflegeausbildung sollen zukünftig vermehrt chinesische Fachkräfte in Deutschland arbeiten.
Am 16. und 17. Juni fanden sich Regierungsvertreter und Mitglieder privater und internationaler Organisationen im Zuge des EU-China-Dialogs über die Projektförderung in den Bereichen Migration und Mobilität zu einem Workshop in Beijing ein, um sich über die Arbeitsmigration aus China in die Europäische Union auszutauschen.
Am zweiten Tag wurde dabei hauptsächlich über den rechtlichen Rahmen der Arbeitsmigration nach Deutschland gesprochen und der konkrete Fall der Einreise von Auszubildenden im Pflegebereich näher betrachtet.
Laut der Fachkräfte-Engpassanalyse der Agentur für Arbeit besteht in allen deutschen Bundesländern bis auf Sachsen-Anhalt ein Mangel an Altenpflegefachkräften. Allein in diesem Bereich sind derzeit rund 10.000 Stellen unbesetzt und Dreiviertel der deutschen Pflegeeinrichtungen klagen über Rekrutierungsprobleme.
Dass Deutschland diesen zunehmenden Mangel aus eigener Kraft beheben könnte, scheint äußerst unwahrscheinlich. Selbst die vermehrte Werbung von Fachkräften aus anderen EU-Ländern verläuft nicht so schnell, wie man es wünschen könnte. Daher wird auch in Staaten außerhalb der Union für die Arbeit in deutschen Pflegeeinrichtungen geworben.
Dr. Frederic Speidel, Arbeits- und Sozialattaché der Deutschen Botschaft in Beijing, hielt zu diesem Thema am zweiten Tag des Workshops einen Vortrag über die deutschen Arbeitsmarktgesetze. Anschließend stellte Felix Kurz, langjähriger Spiegel-Mitarbeiter und Chinakenner, beispielhaft eine Kooperation im Pflegebereich vor.
Laut Kurz sei die Alterspyramide sowohl in Deutschland als auch in China gekippt. Dies stelle eine große Herausforderung für beide Gesellschaften dar. Es biete es sich daher an, dass beide Länder auch zusammen an Lösungen arbeiten. Einen Beitrag dazu solle die Ausbildung von chinesischen Bewerbern zu staatlich anerkannten Altenpflegern leisten. Deutschlands Ausbildungsqualität besitze international hohes Ansehen und könne China das für die kommenden Jahrzehnte nötige Know-how vermitteln, während zugleich der Fachkräftemangel an deutschen Pflegeeinrichtungen gelindert werde.
Die bisherigen Pilotprojekte stellen eine Zusammenarbeit des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands und des Deutsch-Chinesischen Sozialwerks auf deutscher Seite und dem „China Service Center for Friendship and Cooperation with Foreign Countries“ (CSC) auf chinesischer Seite dar. Die sprachliche Ausbildung und Zertifizierung in China wurde durch das Goethe-Institut besorgt.
Als die wichtigsten Voraussetzungen für eine Bewerbung nannte Kurz ein Mindestalter von 18 Jahren, die mittlere Reife oder einen vergleichbaren Schulabschluss, eine abgeschlossene Ausbildung im Bereich der Kranken- oder Altenpflege in China und die Bereitschaft sich einer fremden Kultur und Sprache zu öffnen, einschließlich des Erreichens eines B2-Sprachniveaus.
Kurz stellte folgend den Ablauf der Pilotprojekte vor. In einer Vorphase wurden durch die CSC geeignete Bewerber gefunden, die sich in China einem intensiven Training der deutschen Sprache und Kultur unterzogen, um nach Erreichen des B1-Sprachniveaus ihre Reise nach Deutschland anzutreten und dort ihre duale Ausbildung zu beginnen.
Ausbildungsbegleitend wurden vom jeweiligen Arbeitgeber weitere Deutsch- und Integrationskurse angeboten, die vom Deutsch-Chinesischen Sozialwerk durchgeführt wurden, um die Auszubildenden auf ein B2-Sprachniveau zu bringen. Kurz zufolge konnten die Auszubildenden durch ihre Berufserfahrung etwaige sprachliche Hindernisse leicht kompensieren. Zudem seien die chinesischen Auszubildenden in deutschen Pflegeeinrichtungen – ganz sprachunabhängig – wegen ihrer menschlichen Wärme sehr beliebt.
2013 wurden im Zuge eines Pilotprojekts mit Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg insgesamt 150 chinesische Pflegekräfte ausgebildet und auf beiden Seiten gute Erfahrungen gemacht. Doch laut Angaben des CSC gebe es auch noch Herausforderungen bei der Kooperation. Den chinesischen Auszubildenden und ihren Familien sei es äußerst wichtig, nach ihrer Ausbildung ein Zertifikat über ihre Leistungen in Deutschland zu erhalten, mit dem sie sich auf dem chinesischen Arbeitsmarkt qualifizieren können. Doch dem CSC zufolge mangele es derzeit noch an der zeitnahen Ausstellung solcher Zertifikate. Zudem seien die sprachlichen Anforderungen an die Auszubildenden enorm und schrecken viele der anfänglich Interessierten wieder ab.
Kurz stellte sich nach seinem Vortrag noch einem Interview mit People’s Daily Online, um vertieft auf die Vorteile einer Zusammenarbeit einzugehen. Für die chinesische Seite seien die relativ hohe Bezahlung, die schon während der Ausbildung beginne, die Ausbildungsqualität und die in Aussicht stehende unbefristete Arbeitserlaubnis nach 5 Jahren Beschäftigung in Deutschland die größten Vorteile. Auf deutscher Seite könne einerseits der Fachkräftemangel verringert und den Arbeitgebern außerdem fleißige, anpackende Auszubildende geboten werden, welche mit Berufserfahrung und einem traditionell hohen Respekt vor dem Alter aufwarten. Die Vorteile, welche sich aus einer Kooperation in der Pflege ergeben, seien daher für beide Seiten äußerst vielfältig.