Für viele Angestellte in Chinas boomender Internet-Industrie ist es schlicht normal, bis Mitternacht zu arbeiten. Die Büroflächen dienen daher oftmals auch als Unterkünfte für die Nacht. Das spart Zeit, die man sonst entweder mit Pendeln oder der Familie verbringen würde.

Nachdem er selbst die letzten 15 Jahre zahllose Nächte im Büro verbracht hatte, entschied sich der 40-jährige Dai Xiang dazu, in seiner Firma in Beijing zwölf Betten für seine Mitarbeiter aufstellen zu lassen. Einst arbeitete er in der Nachtschicht in einem Maschinenbauunternehmen und gewöhnte sich dort an lange Arbeitszeiten. Die Arbeitszeiten vieler Mitarbeiter seines Cloud-Computing-Unternehmens sind sogar noch fordernder. Viele verbringen Tag und Nacht im Büro. In Chinas boomender Internet-Industrie stellt das keine Seltenheit dar.

Die Geschäftsinhaber und Angestellten eifern in der sich rasant wandelnden Branchenumgebung danach, ihre technologischen Ideen in reale Produkte und Dienstleistungen zu verwandeln und die Bedürfnisse ihrer kostenorientierten Risikokapitalanleger zu bedienen. Die erfolgreiche Umsetzung einer guten Idee kann einem Unternehmen exponentielles Wachstum bringen.

In einigen Unternehmen gehen die Angestellten nur am Wochenende nachhause. Liu Zhanyu, Kundenmanager bei Doumi Youpin, hat für sich den Konferenzraum des Unternehmens von Montag bis Freitag in einen Schlafzimmer umfunktioniert, um sich die Pendelzeit zu sparen. Er steht jeden Morgen um 8 Uhr 30 auf, noch bevor seine Kollegen zur Arbeit erscheinen. Ein bisschen nagt sein schlechtes Gewissen an ihm, da er so wenig Zeit mit seinem dreijährigen Sohn verbringt. Die langen Arbeitszeiten seien jedoch für das Überleben des Unternehmens notwendig, denkt er, jedenfalls während der Anfangsphase. Für einige andere Angestellte sei es schlicht normal, bis Mitternacht zu arbeiten.

Verglichen mit dem großen amerkanischen Vorbild Silicon Valley sei der chinesische Markt sogar noch stärker umkämpft, meinen Geschäftsinhaber.

Wenn das Geschäft brummt, sind gelegentliche Überstunden in Start-Up-Unternehmen unausweichlich. Doch in vielen Fällen grenzt die Situation der Angestellten an Ausbeutung.