Weniger, dafür aber qualitativ besseres Wachstum: So lautet das Rezept von Präsident Xi Jinping für Chinas Wirtschaft. Experten sehen in Xis Konzept der „neuen Normalität“ jedoch weit mehr als nur eine Wirtschaftsformel.
In den letzten Monaten hat sich die Konjunktur in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt merklich abgeschwächt. Die Befürchtung kam auf, dass nun auch Chinas Wirtschaft an Dampf verlieren würde.
Präsident Xi betonte daher am G20-Gipfel in Brisbane, dass Chinas Wirtschaft auch in Zukunft ein starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum aufweisen wird. Bereits am APEC-Treffen in Beijing sprach Xi im Zusammenhang mit der Wirtschaft von einer „neuen Normalität“. Als deren Merkmal nannte er ein geringeres Wachstum, aber dafür eine bessere Struktur.
„Die Welt sollte sich darauf vorbereiten, von den guten alten Zeiten in China, die die Weltwirtschaft lange getragen haben – insbesonders nach der globalen Rezession im Jahr 2008 – Abschied zu nehmen“, sagt Professor Xin Ming von der zentralen Parteihochschule der Kommunistischen Partei Chinas. „Aber das muss nicht unbedingt eine schlechte Nachricht sein. Präsident Xi möchte der Welt einfach sagen, dass sie an die zweitgrößte Volkswirtschaft und deren neuen Normalzustand glauben soll.“
Die neuen Investitionsmöglichkeiten, die durch die neue Normalität geschaffen würden, würden die Konjunkturabschwächung zusammen mit qualitätsorientierten politischen Maßnahmen abfedern, erklärt Wang Xiaoguang von der Chinese Academy of Governance. Unter den neuen Bedingungen werde der Marktzugang erleichtert und der Markt an sich effizienter.
Präsident Xi hat den Begriff „neue Normalität“ erstmals im Mai während einer Inspektionsreise durch die zentralchinesische Provinz Henan erwähnt. Er sagte damals, China müsse sich an eine neue Normalität gewöhnen und die Ruhe bewahren.
Nicht wenige Experten vertreten die Meinung, dass sich Xis Begriff auf weit mehr als nur die Wirtschaft bezieht. „Chinas Anti-Korruptions-Kampagne hat nicht nur korrupte Tiger und Fliegen (ranghohe und rangtiefe Beamten) ausgemerzt, sondern könnte auch dazu beitragen, den unerwünschten Arbeitsstil von Beamten ein für allemal zu beseitigen“, meint Professor Xin von der Parteihochschule.
Dass mit „neuer Normalität“ auch eine Reihe ganz anderer Aspekte gemeint ist, verdeutlicht ein Leitartikel vom Oktober in der Volkszeitung, dem offiziellen Organ der KPCh. Darin heißt es: „Die Parteikader und unsere Landsleute sollten lernen, mit diesem neuen Normalzustand zu leben. Dasselbe gilt für einige multinationale Firmen und andere Länder. Sie sollten realisieren, dass es China mit seinem Anti-Monopol-Gesetz sowie der Verteidigung seiner nationalen Souveränität und territorialen Integrität ernst meint.“