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Fischler: US-Modell nicht auf Chinas Landwirtschaft übertragbar

(German.people.cn)
Montag, 14. April 2014
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Dr. Franz Fischler gehört zu den renommiertesten Agrar-Experten. Am Boao Asienforum äußerte sich der 67-Jährige aus Österreich über Nachhaltigkeit, genveränderte Organismen und was China in der Landwirtschaft noch von Europa lernen kann.

“Nachhaltigkeit darf nicht allein in ihrer umweltspezifischen Dimension betrachtet werden”, betont Dr. Franz Fischler. “Die Herausforderung einer nachhaltigen Entwicklung besteht auch darin, die wirtschaftliche Leistung und das soziale Gleichgewicht zu fördern.” Dieses Gleichgewicht gelte es “so dauerhaft wie nur möglich” zu gestalten.


Fischler weiß, wovon er spricht. Der gebürtige Tiroler war von 1995 bis 2004 EU-Kommissar für Landwirtschaft, Entwicklung des ländlichen Raumes und Fischerei. Seit 2012 präsidiert der 67-Jährige das Europäische Forum Alpbach, ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Wien, der sich mit gesellschaftspolitischen Fragen der heutigen Zeit auseinandersetzt.

China besuchte Fischler erstmals im Jahr 1992. Vergangene Woche kehrte er wieder zurück, um am Boao Asienforum auf der Tropeninsel Hainan teilzunehmen. Vom sozioökonomischen Fortschritt, den die Volksrepublik in den letzten beiden Jahrzehnten gemacht hat, zeigte sich der österreichische Agrar-Experte beeindruckt.

Die nachhaltige Landwirtschaft in Europa hält Fischler für ein konkretes Beispiel, von dem China noch lernen kann: “Wir suchen nach Wegen, mit denen wir den landwirtschaftlichen Ertrag mit weniger Aufwand erhöhen können - mit Ertrag meine ich einen qualitativ hochwertigen Ertrag, also genügend Nahrung, gesunde Nahrungsmittel und Nahrungsmittel von höchster Qualität - und gleichzeitig den Input senken können, besonders den von Dünger, unter gleichzeitiger Beachtung des Bodenschutzes.”

Laut Fischler ist in der heutigen Zeit ein allumfassender Ansatz in der Landwirtschaft unabdingbar: “Heutzutage geht es nicht nur um die Nahrungsmittel für den Menschen, sondern es geht auch um den Gebrauch von landwirtschaftlichen Produkten für non-Food Zwecke, zum Beispiel in der Biotech-Wirtschaft. Durch die Biotech-Wirtschaft können wir zum Beispiel das Öl, das in der chemischen Industrie zur Produktion von Plastik eingesetzt wird, ersetzen.”

Fischler ist überzeugt, dass die Menschheit auch durch eine nachhaltige Landwirtschaft ernährt werden kann. “Wenn man sie richtig betreibt”, dann sei die nachhaltige Landwirtschaft “produktiv genug, um die Weltbevölkerung zu ernähren und effizient genug, um auf dem Markt erfolgreich zu sein”, sagt der Österreicher. “Das grössere Risiko liegt darin, über kein nachhaltiges System zu verfügen, weil man dann früher oder später mit irreversiblen Problemen konfrontiert wird.”

Vor allem in Afrika, wo die Landwirtschaft weitestgehend auf einem niedrigen Input basiert, kann die Produktion nach Ansicht von Fischler durch einen ökologischen Anbau noch massiv erhöht werden. Daher befürwortet er, dass in der internationalen Landwirtschaftspolitik in die Ausbildung von Bauern investiert wird.

In Bezug auf genveränderte Organismen plädiert Fischler für einen vorsichtigeren Umgang. Den Einsatz von genveränderten Pflanzen zur Ertragssteigerung kann er sich aber grundsätzlich sehr gut vorstellen, vor allem in Schwarzafrika, wo es häufig an hochentwickelten Bewässerungssystemen, qualitativ hochwertigem Saatgut sowie Düngemitteln und Pestiziden fehlt.

Chinas Landwirtschaft leidet seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik im Jahr 1978 unter den Folgen der Abwanderung. Immer mehr Bauern geben ihren Hof auf, um in den großen Städten des Landes einen Job mit einem höheren Einkommen zu finden. Fischler glaubt nicht, dass der Rückgang der ländlichen Bevölkerung in der Volksrepublik durch die Einführung des arbeitssparenden Landwirtschaftsmodell der USA kompensiert werden kann. Das amerikanische Modell passe “nicht zur Realität der chinesischen Landwirtschaft, weil China über eine große Bevölkerung vefügt, aber über nicht so viel anbaufähiges Land”. Die Regierung in Beijing müsse daher mit “strukturellen Anpassungen, verbesserten Umweltdienstleistungen sowie der Schaffung von neuen Einkommensquellen” versuchen, die Abwanderung auf dem Lande in den Griff zu kriegen.

Eine mögliche Lösung dieses Problems sieht Fischler im europäischen Modell des Familienhofs sowie der Teilzeit-Landwirtschaft. Wenn ein Bauer in der Nebensaison in der Tourismusindustrie oder einem anderen Wirtschaftszweig ein Einkommen finde, dann sei er auch nicht mehr gezwungen, seinen Hof aufzugeben, um ein höheres Einkommen für seine Familie zu erzielen.
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