Obwohl das chinesische Wirtschaftswachstum im ersten Quartal 2014 wohl so niedrig ausfallen wird wie schon seit Jahren nicht mehr, will die Regierung an ihrer langfristigen Strategie festhalten. Kurzfristige Schnellschüsse werde es keine geben, ließ Regierungschef Li Keqiang verlauten.
Chinas Premier Li Keqiang wies am Donnerstag alle Spekulationen zurück, wonach die Regierung in Anbetracht der momentanen Konjunkturabschwächung ihre Wirtschaftspolitik stark lockern werde. Seine Regierung werde wegen temporären Schwankungen kurzfristig keine zusätzlichen Anreize schaffen.
“Eine Wachstumsrate unter dem diesjährigen Ziel von 7,5 Prozent ist vertretbar, solange eine ausreichende Beschäftigung garantiert ist”, sagte Li am Boao Asienforum auf Hainan. “Wir konzentrieren uns mehr auf die mittel- und langfristige gesunde Entwicklung.”
China verfüge über genügend Optionen, um auf jegliche Risiken und alle Herausforderungen reagieren zu können. Als mögliche Optionen nannte Li die Straffung der Verwaltung und weitere Steuerreformen. Die Volksrepublik sei aber in der Lage, ein vernünftiges Wirtschaftswachstum aufrechtzuerhalten.
Die zweitgrößte Volkswirtschaft wird im ersten Quartal 2014 aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Wachstum von 7,3 Prozent aufweisen. Im letzten Jahresquartal 2013 waren es noch 7,7 Prozent. Die endgültigen Zahlen werden erst am nächsten Mittwoch bekannt gegeben. Falls sich die Prognose von 7,3 Prozent aber bewahrheiten sollte, wäre das Chinas tiefstes Wirtschaftswachstum seit dem Frühjahr 2009.
Wirtschaftsexperten reagierten mehrheitlich positiv auf die Äusserungen von Li Keqiang. Einige von ihnen hatten schon befürchtet, dass die Regierung wie schon 2008 ein massives Konjunkturpaket beschliessen würde. Das im Olympia-Jahr von der Regierung verabschiedete Konjunkturpaket in Höhe von vier Billionen Yuan RMB (467,67 Milliarden Euro) hatte zu einer Erhöhung der Vermögenspreise und zu starken Überkapazitäten geführt.
Carlos Gutierrez, der Vorstandschef der Albright Stonebridge Group, einem Beratungsunternehmen mit Sitz in Washington D.C., bezeichnete die Rede von Premier Li als “eine sehr klare Vision, wohin er China bringen will”. “Es war eine klare, überzeugende und visionäre Rede”, meinte Gutierrez. Obwohl sich die Konjunktur abgeschwächt habe, sei es im Moment richtig, keine größeren Maßnahmen zu ergreifen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. “Standhaft zu sein ist wichtiger, als etwas vorschnell zu tun. Ich halte die Strategie für richtig.”
“Das Konjunkturpaket aus dem Jahr 2008 hat der chinesischen Wirtschaft strukturell geschadet. Wir sind noch immer damit beschäftigt, seine Folgen rückgängig zu machen”, sagt Professor Chen Zhiwu von der amerikanischen Yale-Universität.
Eine ähnliche Meinung vertritt Liu Huangsong, der Direktor des Instituts für Wirtschaft an der Shanghaier Akademie für Sozialwissenschaften: “Ein massiver Impuls ist das letzte, das China im Moment braucht.”
Liu geht davon aus, dass Chinas Wirtschaftswachstum im zweiten Jahresquartal weiter zurückgehen wird - vielleicht sogar unter die Marke von sieben Prozent, falls die Regierung keine flankierenden Maßnahmen ergreift. Von einem größeren Beschäftigungsproblem will er trotzdem nichts wissen: “Infolge des rückläufigen Bevölkerungswachstums ist die Zahl von Chinas Arbeitskräften im Jahr 2013 um 2,2 Millionen zurückgegangen”, erklärt Liu. “Die Einführung der Zwei-Kind-Politik bedeutet, dass viele weibliche Angestellte im Mutterschaftsurlaub sein werden und die Nachfrage nach Pflegejobs zunehmen wird.”
Auch wenn die meisten Ökonomen ein Konjunkturpaket derzeit für kontraproduktiv halten, befürworten sie doch ein “Feintuning” der chinesischen Wirtschaft, um sie vor einer harten Landung zu bewahren. So spricht sich beispielsweise Xu Gao, der Chefanalyst für Makroökonomie bei der Everbright Securities Co. Ltd., für schnellere Genehmigungsverfahren bei Infrastrukturprojekten aus. Ebenfalls für wirtschaftsförderlich hält Xu die Aufhebung von Verordnungen auf dem Immobilienmarkt in Städten, wo die Wohnungspreise bereits einem großen Abgabedruck unterliegen.
Sowohl Liu als auch Xu nehmen an, dass die Chinesische Volksbank, die gleichzeitig auch als Zentralbank fungiert, den Mindestreservesatz für Banken in diesem Jahr ein- bis zweimal senken wird, um die Liquidität und das Wirtschaftswachstum zu fördern. “Schließlich braucht es zur Umsetzung der Reformen ein stabiles Wachstum”, so Xu.