In den letzten Jahren hat sich in ganz China ein regelrechter Museumstrend entwickelt. Seit der Eröffnung des neuen Gebäudes des Yinxu-Museums in Anyang erfreut es sich ungebrochener Beliebtheit und konnte innerhalb eines Jahres 1,8 Millionen Besucher verzeichnen.
Im Frühjahr 1976 wurde in den Ruinen der Hauptstadt Yin der späteren Shang-Dynastie, in der Stadt Anyang in der Provinz Henan, eine unversehrte, quadratische Grabgrube entdeckt. In ihr fanden Archäologen nahezu 800 Jadeobjekte – die größte Anzahl an Grabbeigaben aus Jade, die jemals in einem Grab aus der Zeit vor der Qin-Dynastie gefunden wurde. Inschriften auf Bronzegefäßen und Orakelknochen belegen, dass die Grabstätte der Königin Fu Hao gehörte, der geliebten Gemahlin von König Wu Ding aus der Shang-Dynastie.
Neben Jadeobjekten aus der Shang-Zeit wurden im Grab von Fu Hao auch zahlreiche noch ältere Jadeartefakte sowie umgearbeitete Objekte aus Jade entdeckt, die aus den Kulturen Xinglongwa, Hongshan und Qijia stammen. Dies deutet darauf hin, dass Fu Hao eine begeisterte Sammlerin antiker Jade war. Darüber hinaus ist Fu Hao die erste weibliche Militärgeneralin Chinas, die sowohl archäologisch als auch in schriftlichen Quellen belegt ist. Das neue Gebäude des Yinxu-Museums widmet sich ausführlich den Funden aus ihrem Grab und zeichnet ein umfassendes Bild dieser außergewöhnlichen Frau.
Zu den Grabbeigaben von Fu Hao gehören über 460 Bronzegegenstände, darunter 210 bronzene Ritualgefäße – die größte Anzahl solcher Gefäße, die jemals in einem einzelnen Grab innerhalb der Yin-Ruinen wissenschaftlich ausgegraben wurde. Die Entdeckung des Fu-Hao-Grabes ermöglichte es Wissenschaftlern und der Öffentlichkeit erstmals, einen detaillierten Einblick in das Leben von Frauen während der Shang-Dynastie zu erhalten, und lüftete zudem weitere Geheimnisse der hochentwickelten Bronzezivilisation dieser Epoche.
Im Juli 2006 wurden die Yin-Ruinen als eine der bedeutendsten archäologischen Entdeckungen Chinas im 20. Jahrhundert in die UNESCO-Weltkulturerbeliste aufgenommen. Unter den zahlreichen Funden aus Yin nehmen die Orakelknochen eine herausragende Stellung ein.
Im neuen Gebäude des Yinxu-Museums sind zudem mehrere über 3000 Jahre alte Keramikmasken aus der Shang-Dynastie zu sehen. Experten vermuten, dass es sich dabei um „Selbstbildnisse“ von Menschen dieser Epoche handelt. Auf einer der Masken sind über beiden Augen feine Einkerbungen zu erkennen, und die Gesichtszüge deuten deutlich auf doppelte Augenlider hin – ein Indiz dafür, dass doppelte Augenlider damals als Schönheitsideal für Männer galten. Eine weitere keramische Gesichtsmaske zeigt vier verschiedene Gesichtsausdrücke – Freude, Wut, Trauer und Glück –, die lebendig und ausdrucksstark gestaltet sind.
Bei den archäologischen Ausgrabungen in Yin wurde außerdem ein besonderes Gefährt entdeckt. Vor dem Wagen waren zwei Menschen bäuchlings begraben, was darauf hindeutet, dass es sich um eine Art von Menschen gezogenen Wagen handeln könnte, der in historischen Texten als „Nian-Wagen“ bezeichnet wird.