Chinas Geschichte der Harmonie zeigt neue Wege auf

Erzählungen aus der Geschichte Chinas über die Philosophie der Harmonie sind auch heute noch inspirierend. In der ostchinesischen Provinz Anhui haben sie zur Bereicherung des modernen Stadtmanagements beigetragen.

Im Dorf Xidi, das im Kreis Yixian in der Stadt Huangshan liegt, lockt eine Gebäudefassade aus der Qing-Dynastie (1644-1911) mit der Aufschrift „Einen Schritt zurück machen“ Touristen an, die die Geschichte gehört haben, die sich dahinter verbirgt.

Die Geschichte eines Lokalbeamten namens Hu Wenzhao zeigt, wie hoch Harmonie in der chinesischen Kultur geschätzt wird. Als Hu in der Zeit der Qing-Dynastie das Haus seiner Vorfahren renovierte, beschloss er, die Ecken abzurunden und die Wände um einen halben Meter zurückzuziehen, um Fußgängern mehr Platz zu bieten. Viele seiner Nachbarn folgten später seinem Entwurf und schufen dadurch ein geräumigeres und lebendigeres Viertel.

„‚Einen Schritt zurück machen‘ ist das Motto unserer Familie Hu. Dieser Sinn für Harmonie ist überall in Huangshan und den umliegenden Gebieten zu finden“, sagt Hu Aoli, ein Nachkomme von Hu Wenzhao und Parteisekretär des Dorfes Xidi.

„Ein Schritt zurück ist ein Schritt nach vorn. Heute lassen wir uns von der alten Geschichte inspirieren, um ihre Anwendung im Stadtmanagement auf Bereiche wie Schlichtung und Parteiaufbau auszuweiten, und wir haben festgestellt, dass es recht gut funktioniert“, sagt Hu Aoli.

Im Jahr 2020 renovierten die örtlichen Behörden das altehrwürdige Gebäude und richteten darin einen Mediationsraum ein. Die Mediatoren konnten dort viele Streitigkeiten erfolgreich und auf harmonische Weise beilegen.

Harmonie ist ein zentraler Wert der chinesischen Hehe-Kultur, der in der modernen chinesischen Gesellschaft weithin geschätzt wird. Der Begriff „Hehe“ besteht aus zwei chinesischen Schriftzeichen mit gleicher Aussprache, aber unterschiedlicher Bedeutung: Das erste bedeutet Harmonie und das zweite Konvergenz. Kurz gesagt geht es bei der Hehe-Kultur darum, Gemeinsamkeiten zu suchen und gleichzeitig Unterschiede zu wahren, was für harmonisches Zusammenleben und koordinierte Entwicklung steht.

Liuchixiang, eine 2 Meter breite Gasse in der Stadt Tongcheng in Anhui, ist ein weiterer Ort in China, der seine eigene Geschichte der Harmonie hat.

Während der Herrschaft von Kaiser Kangxi vor mehr als 300 Jahren erhielt der hochrangige Beamte Zhang Ying einen Brief von seiner Familie aus seiner Heimatstadt Tongcheng. In ihrem Brief teilten sie Zhang mit, dass sie sich mit ihrem Nachbarn Wu über Grundstücksgrenzen gestritten hatten, und baten um Hilfe. Zhang antwortete auf ihren Brief mit einem Gedicht: „Ein Brief wurde geschrieben – nur wegen einer Mauer. Wenn sie sich um einen Meter bewegt, welchen Schaden richtet das an? Auch heute noch steht die Große Mauer fest, doch ihr Erbauer, Kaiser Qinshihuang, ist verschwunden.“ Bereichert durch seine Antwort beschloss die Familie Zhang, ihre Mauern um etwa einen Meter zurückzusetzen. Tief bewegt von ihrer Großzügigkeit ließ auch die Familie Wu ihre Mauern um einen Meter zurücksetzen, und die beiden Haushalte schufen eine 2 Meter breite Gasse für Passanten zwischen ihren Häusern. Heute ist die Gasse eine beliebte Attraktion, die täglich von Einheimischen durchquert wird.

„Wir nutzen diese Geschichte, um Streitigkeiten zu schlichten, und wir nutzen ihre Weisheit in unserer sozialen Basisverwaltung“, sagt Zhang Yun, Parteisekretär der Liuchixiang-Gemeinschaft und Nachkomme von Zhang Ying.

Auch das örtliche Volksgericht ließ sich von der Geschichte inspirieren und richtete über 300 Mediationsräume zur Beilegung von Streitigkeiten ein.

„Liuchixiangs Name bezieht sich nicht nur auf die physische Breite der Gasse, sondern auch auf die Weite des Geistes der Menschen. Viele Streitigkeiten können im Keim erstickt werden, wenn eine Seite nur einen Schritt zurücktritt“, sagt Zhang Yun.