Chen Xiaoshan erinnert sich noch lebhaft daran, als er vor einigen Jahren im Ausland mit einem Blockdruck des konfuzianischen Klassikers „Xunzi“, der aus der Zeit der Song-Dynastie (960 –1279) stammt, in Berührung kam.
„Als ich ihn berührte, konnte ich den Puls der chinesischen Kultur fast fühlen“, erinnerte sich der 32-jährige Chen, der zu den Mitgliedern eines laufenden Projekts namens „Integration of Chinese ancient books“ gehört.
In einem kleinen Gebäude auf dem Campus der Shandong University in Ostchina haben Chen und seine Kollegen die letzten sechs Jahre damit verbracht, viele altertümliche chinesische Klassiker, die im Ausland zerstreut waren, „nach Hause“ zu holen.
Das Projekt ist ein kulturelles Unterfangen, das laut Zheng Jiewen, leitender Experte des Projekts, viele verschiedene Aspekte umfasst: die Überprüfung und Katalogisierung altertümlicher chinesischer Texte im Ausland, das Kopieren und Digitalisieren ausgewählter Werke sowie die Forschung an diesen, und der Aufbau einer Datenbank.
Ziel des Teams ist es, ungefähr 9.000 seltene und wertvolle chinesische Klassiker und andere altertümliche, aus dem Ausland stammende Dokumente zu kopieren und zu digitalisieren. Rund 2.000 davon sollen fotokopiert und veröffentlicht werden.
Zweifelsohne stellt das gesamte Projekt eine außergewöhnliche Herausforderung dar.
Das Team für die Begutachtung und Katalogisierung besteht aus 420 Personen, darunter Hochschullehrer, internationale Studenten und Chinesen im Ausland, so Teamleiter Shan Chengbin.
Jeden Tag nehmen sie mehrere Stunden Pendelfahrt in Kauf, um Zugang zu einer Handvoll chinesischer Klassiker zu bekommen, weil einige der Agenturen im Ausland, die für die Aufbewahrung dieser Bücher verantwortlich sind, ein tägliches Ausleihlimit haben, sagte Shan.
Sobald die mühsame Aufgabe des Katalogisierens der Bücher abgeschlossen ist, folgt ein sorgfältiges Auswahlverfahren, um festzustellen, ob sie einen ausreichenden Wert besitzen, um eine „Rückkehr“ an ihren Ursprungsort zu rechtfertigen. Dieser komplizierte Prozess erfordert, dass man sich durch ein Meer von Büchern wühlt und nach den versteckten „verborgenen Schätzen“ sucht, die sich darin befinden.
Eine solcher Entdeckungen, die durch eine Zusammenarbeit der Shandong University mit der St. Petersburg State University in Russland möglich war, ist das Werk „Records of Iron Forging“, das metallurgische Techniken im China des 16. Jahrhunderts dokumentiert. Im Juni 2019 wurde eine Replik dieses Buches von russischer Seite als Geschenk an China überreicht.
Tang Ziheng, ein 68 Jahre alter, pensionierter Literaturprofessor von der Shandong University, hat sich dem Korrekturlesen und dem Veröffentlichen von ausländischen altertümlichen Büchern verschrieben.
„Fast jeden Tag stehe ich um fünf Uhr morgens auf und verbringe sechs bis sieben Stunden damit, Manuskripte durchzusehen“, sagte Tang, der fünf Mal Korrektur liest, um mögliche Fehler zu finden und die Zuverlässigkeit der aus dem Ausland zurückgeholten Bücher für die wissenschaftliche Forschung zu gewährleisten.
Die erste Serie von 14 Arten von korrekturgelesenen Büchern wird in der zweiten Hälfte dieses Jahres veröffentlicht werden.
Das Projekt „Integration of Chinese ancient books“ nahm im April 2017 offiziell seine Arbeit auf und ist auf eine Dauer von zehn Jahren angelegt.
Bis heute wurden durch das Projekt 1.988 Bucharchive im Ausland überprüft, was zur Identifizierung und Katalogisierung von 360.000 altertümlichen chinesischen Bücher geführt hat. Aus dieser Sammlung wurden etwa 1.600 seltene Bücher durch Kopieren oder Scannen „nach Hause“ geholt.
„Papier hat eine Lebensdauer von tausend Jahren und einige Bücher aus der Zeit der Song- und Yuan-Dynastie erreichen bald diese Grenze. Diese Bücher könnten im Fluss der Geschichte verschwinden, falls wir diese nicht rechtzeitig finden und zeitnah reproduzieren“, sagte Chen Xiaoshan.
Chinesische Wissenschaftler bringen ihr Fachwissen über altertümliche Bücher auch bei Bibliothekseinrichtungen im Ausland ein. Im Jahr 2018 wurde im Rahmen des Projekts damit begonnen, Experten an ein sinologisches Institut und an eine Stadtbibliothek in Frankreich zu entsenden, um bei der Erstellung eines Katalogs für altertümliche chinesische Bücher behilflich zu sein. Die Arbeit soll bis zum Jahr 2024 abgeschlossen sein.
Chen sagte, die Bedeutung des Projekts liege nicht nur darin, seltene, altertümliche Bücher wiederzubeleben, sondern auch einen neuen Raum für den kulturellen Austausch zwischen Ost und West zu schaffen.