Bettler gibt es überall. Aber nicht überall sind sie wirklich arm. In China häufen sich die Medienberichte über Bettler, die in Tat und Wahrheit in Saus und Braus leben. Die Lösung dieses Problems ist nicht ganz so einfach.
Ein in Lumpen gehüllter Bettler liegt schwerkrank auf dem Bürgersteig. Neben ihm kniet seine „Schwester“ und bettelt die Passanten unaufhörlich um eine milde Gabe an. Einige Stunden später steht der angeblich todkranke Bettler plötzlich auf, dehnt seine vom Liegen müden Glieder und verschwindet zu einem gediegenen Abendessen im Restaurant.
Laut einem Bericht des chinesischen Fernsehsenders CCTV wiederholt sich dieses Schauspiel in China jeden Tag aufs Neue. Im Bericht des staatlichen Senders sind mehrere Aufnahmen von Cui Guanghua zu sehen, der einer Gruppe von Bettlern eine Woche lang in Zhengzhou, dem Hauptort der Provinz Henan, gefolgt ist.
Nach Angaben des Fotografen besteht die Gruppe aus etwa zehn Mitgliedern. Normalerweise würden sie in Schichten arbeiten und bis elf Uhr abends auf der Straße, in Parks, in der U-Bahn und an anderen öffentlichen Orten betteln. Danach würden sie sich jeweils mit einem reichhaltigen Abendessen belohnen und ihre Beute aufteilen. „Sie können an einem Tag bis zu 2000 Yuan (325 US-Dollar) verdienen“, sagt Cui. Am nächsten Tag würden die Bettler ihre Partner wechseln und vor den Augen der Passanten ein neues herzzerreißendes Schauspiel aufführen, um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Die Bettelbande aus Zhengzhou ist kein Einzelfall. Ein Foto, das einen älteren Bettler vor einer Postfiliale in Beijing beim Zählen seines Geldhaufens zeigt, sorgte bereits früher in dieser Woche für einen Sturm der Entrüstung. Der Mann soll volle drei Tage gebraucht haben, um all sein Geld zu zählen, das er während dem Mondfest einnahm. Nach Aussagen der Postmitarbeiter bot der Bettler Passanten soger 100 Yuan (16 US-Dollar) für die Mithilfe beim Geldzählen an.
Chinas Medien haben bereits in der Vergangenheit von professionellen Bettlern berichtet, die pro Monat über zehntausend Yuan (1600 US-Dollar) verdienen und Wohnungen besitzen. Einige von ihnen sollen sogar im Besitz der Einreiseerlaubnis für die Sonderwirtschaftszonen Hongkong und Macao sein.
„Sie missbrauchen das Vertrauen der Gesellschaft“, kritisiert Soziologieprofessor Li Qiang von der angesehenen Beijinger Tsinghua-Universität. Wohltäter, die regelmäßig betrogen werden, würden als Konsequenz auch denjenigen nicht mehr helfen, die tatsächlich Hilfe benötigen.
Die Lösung dieses Problems ist laut Professor Li jedoch gar nicht so einfach. Viele professionelle Bettler seien körperlich zwar sehr wohl in der Lage, Billigjobs zu verrichten, hätten aber kein Interesse daran, weil sie mit Betteln weitaus mehr Geld verdienen könnten.