Chinas Regierung ist im Eisenbahnbau nicht mehr länger bereit, alle Kosten selbst zu tragen. Stattdessen sollen Private einspringen. Als größte Knacknuss erweisen sich die Projekte im zentralen und westlichen Teil des Landes.
Chinas Premier Li Keqiang hat am Freitag den Hauptsitz der nationalen Eisenbahngesellschaft China Railway Corporation (CRC) in Beijing inspiziert. Dabei rief er die in Monopolbereichen tätigen Staatsunternehmen auf, sich dem Markt zu öffnen.
Die im März 2013 mit der Auflösung des Eisenbahnministeriums eingeleitete Reform des Bahnwesens sei bisher „reibungslos und stabil“ verlaufen, erklärte Li während seinem Besuch. „Sie haben im vergangenen Jahr viel getan, um eine harte Nuss zu knacken. Was Sie getan haben, wird bei der Reform von anderen Staatsunternehmen als Vorbild dienen.“
Li Keqiang ist der erste hochrangige Regierungsvertreter, der die im Westen von Beijing ansässige CRC besucht hat. Sein Besuch zeige, dass die Zentralregierung die Reform des Eisenbahnwesens gutgeheißen habe, ließen Experten verlauten. Die chinesische Bahn beschäftigt derzeit über zwei Millionen Angestellte. Bis zur Auflösung des Eisenbahnministeriums vor anderthalb Jahren verfügte sie sogar über ein eigenes Polizei- und Rechtssystem.
Premier Li warf auch einen Blick ins Büro der Hauptplanungsabteilung, wo das Streckennetz der Hochgeschwindigkeits-Eisenbahn geplant wird. Auf einer großen China-Karte an der Wand kann hier der Fortschritt der Bauarbeiten an 64 neuen Abschnitten verfolgt werden. Der jeweilige Stand des Umweltprüfungsverfahrens, des Landerwerbs und des Baubeginns weden auf der Karte sorgfältig vermerkt. Kleine rote Fähnchen markieren den Abschluss eines Bauprojekts.
Für dieses Jahr sind Projekte mit einem Investitionsvolumen von 800 Milliarden Yuan (98 Milliarden Euro) vorgesehen. Mit allen Projekten würde wie geplant noch in diesem Jahr begonnen, sagt CRC-Direktor Sheng Guangzu: „Mit dem Bau der meisten Projekte wurde bereits begonnen, bei einigen anderen steht das Genehmigungsverfahren kurz vor dem Abschluss.“ Von angeblichen Finanzierungsschwierigkeiten will Sheng nichts wissen: „Ein Teil der 800 Milliarden Yuan wird in diesem Jahr investiert, der Großteil aber erst 2015.“
Erst im April hatte die Zentralregierung ihren Beitrag für die Bahn von 630 Milliarden auf 800 Milliarden Yuan erhöht, um den Abwärtsdruck der Wirtschaft abzufedern. In Zukunft soll die Privatwirtschaft einspringen. „Die Regierung kann die Finanzierung des Eisenbahnbaus nicht länger alleine tragen. Wir müssen sie für den Markt öffnen“, erklärte Premier Li anlässlich seines Besuchs bei der CRC. Das größte Problem besteht laut Li darin, Investoren für die weniger profitablen Bauprojekte in Zentral- und Westchina zu finden.
Einige der 64 neuen Bahnprojekte sind bereits teilweise privatfinanziert. Eines davon ist die Verbindung von Changchun in der Provinz Jilin ins Kohleabbaugebiet Bayanhuar in der Inneren Mongolei. Der Bau der 16,4 Milliarden Yuan (zwei Milliarden Euro) teuren Strecke soll innerhalb von drei Jahren abgeschlossen sein. Nach Angaben der CRC kommen Privatinvestoren für fast 90 Prozent der Gesamtkosten auf.
Damit es in Zukunft so weitergeht, wurde im vergangenen Jahr extra ein Entwicklungsfonds eingerichtet, der die Bahn mit den notwendigen Milliarden zum Ausbau ihres Netzes in Zentral- und Westchina versorgen soll.