Chinas Abhängigkeit von ausländischem Öl wird in diesem Jahr voraussichtlich weiter zunehmen. Die Irak-Krise dürfte die Ölversorgung des Landes hingegen nicht tangieren. Mit ein Grund hierfür ist die sinkende Nachfrage der chinesischen Wirtschaft nach Diesel.
Nach Angaben der China National Petroleum Corporation (CNPC) wird China in diesem Jahr wahrscheinlich 298 Millionen metrische Tonnen Rohöl importieren. Damit kann die Volksrepublik 58,66 Prozent ihres gesamten Ölbedarfs decken. Den gesamten Bedarf im laufenden Jahr schätzt die CNPC auf etwa 508 Millionen metrische Tonnen. 210 Millionen Tonnen werden durch die inländische Produktion abgedeckt.
Analysten nehmen jedoch an, dass China in diesem Jahr viel stärker von Ölimporten aus dem Ausland abhängig sein wird, als die CNPC angibt. Gao Jian vom Beratungsunternehmen Sublime China Information Co. Ltd. schätzt den Importanteil auf mindestens 60 Prozent. Seine Einschätzung begründet der Rohstoffexperte mit der zu erwartenden Zunahme der Importe in der zweiten Jahreshälfte: „Die internationalen Ölpreise sind in der ersten Jahreshälfte gefallen und bewegen sich momentan auf einem relativ niedrigen Niveau. Ein guter Zeitpunkt also für chinesische Unternehmen, ihre Importe aus kommerziellen oder strategischen Gründen zu erhöhen.“ Gao geht davon aus, dass China in der zweiten Hälfte 2014 zehn Prozent mehr Öl importieren wird als im Vorjahr.
Gemäß der CNPC nahmen Chinas Ölimporte in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 10,9 Prozent auf 129 Millionen Tonnen zu. Die Abhängigkeit von Importen aus dem Ausland stieg auf 59,87 Prozent.
Die CNPC ist Chinas größter Öl- und Gasproduzent. In ihrem jüngsten Geschäftsbericht schließt sie nicht aus, dass sich die anhaltende Krise im Irak auch negativ auf die globale Ölversorgung und die Ölpreise auswirken wird. Laut Gao stellt die Situation im Irak jedoch keine Gefahr für die Ölversorgung in China dar, solange sich der Konflikt auf den Norden des Landes beschränkt.
Dass der neuerliche Irak-Konflikt höchstens geringen Einfluss auf die Ölversorgung in China hat, hat auch mit der verhältnismäßig geringfügig gewachsenen Nachfrage nach Ölprodukten in der ersten Hälfte 2014 zu tun. Der Dieselverbrauch ist in der Volksrepublik sogar schon seit 14 Monaten rückläufig. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres verbrauchte die verarbeitende Industrie 13,5 Prozent weniger Diesel als noch vor einem Jahr. Im Energiesektor ging der Dieselverbrauch gar um 16,8 Prozent zurück und im Baugewerbe um 18,3 Prozent.
Gao führt diese Entwicklung neben der schleppenden Konjunktur in erster Linie auf die strikteren Umweltauflagen der Regierung zurück: „Viele Unternehmen in energiereichen Industrien mussten ihre Produktion gezwungenermaßen schließen. Das hat zu einem geringeren Dieselverbrauch geführt.“ Als weiteren Grund für die gesunkene Nachfrage nach Diesel nennt Gao die wachsende Verbreitung von Erdgas. Vor allem im Transportwesen würde Diesel zunehmend durch das umweltfreundlichere Erdgas ersetzt, so der Rohstoffexperte.