Wanderarbeiter vom Lande und ihre Kinder haben in Chinas Großstädten noch immer keinen Zugang zum Bildungs- und Sozialversicherungssystem. Diese soziale Ungleichheit zwischen Stadt- und Landbewohnern soll nun schrittweise abgeschafft werden.
In der Volksrepublik wird die Wohnsitzkontrolle seit den 1950er Jahren durch das Hukou-System geregelt. Dieses System der staatlichen Haushaltsregistrierung unterscheidet strikt zwischen städtischen und ländlichen Haushalten. An den „eingetragenen ständigen Wohnsitz“, so die wörtliche Übersetzung von Hukou, sind auch die Ansprüche einer Person auf staatliche Sozialleistungen gebunden. Damit soll nun Schluss sein.
Anstelle des dualen Hukou-Systems mit seiner strikten Unterteilung in Stadt- und Landbewohner soll nun ein flexibleres System mit Aufenthaltsbewilligungen treten, das auch den Wanderarbeitern Zugang zum Schul- und Gesundheitssystem in den Städten erlaubt.
Die neuen Richtlinien sehen vor, dass das Anrecht der Stadtbewohner auf grundlegende öffentliche Dienstleistungen wie Bildung, medizinische Versorgung, Sozialversicherung oder Pflege im hohen Alter auf die Kinder der Wanderarbeiter ausgeweitet wird.
„Die neuen Richtlinien werden eine positive Rolle bei der Beschleunigung des Urbanisierungsprozesses spielen“, ist der Soziologe Zhang Yi von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften überzeugt. Zhang sieht „enorme Möglichkeiten“, weist gleichzeitig aber auch auf die gewaltigen Kosten hin. Die Regierung müsse nun massiv in Schulen, Spitäler sowie in den Bau von Straßen und Wohnungen investieren.
Huang Ming, der Vizeminister für öffentliche Sicherheit, bestätigt Zhangs Einschätzung. Eine so umfangreiche soziale Reform wie die Reform des Hukou-Systems habe es in China noch nie gegeben. Laut Huang arbeiten derzeit über 200 Millionen ländliche Wanderarbeiter in Chinas Städten – Tendenz steigend.
Die Kindergärten in den Städten hätten in den letzten drei Jahren bereits mehr als drei Millionen Wanderarbeiterkinder aufgenommen, sagt Vizebildungsminister Liu Limin. In 28 Provinzen, autonomen Gebieten und regierungsunmittelbaren Städten werde zudem darüber nachgedacht, Kinder von Wanderarbeitern die Teilnahme an der nationalen Universitätsaufnahmeprüfung zu erlauben.
Auch in der medizinischen Grundversorgung für Wanderarbeiter hat sich in den letzten Jahren einiges getan. So wurden in den Wohnvierteln der chinesischen Städte bis Ende 2013 knapp 8500 medizinische Zentren errichtet.
Ebenfalls Teil der Hukou-Reform ist die Kontrolle über das Städtewachstum. Gemäß den neuen Richtlinien dürfen Mega-Städte wie Beijing oder Shanghai nicht mehr weiter expandieren. Ein eigens hierfür ausgearbeitetes Punktesystem soll den Bevölkerungszufluss in die großen Städte in Zukunft regeln.