Bei ihrer Expansion ins Ausland verlassen sich viele chinesische Staatsunternehmen auf ausländische Juristen. Der Allchinesische Anwaltsverband will das nun ändern – aus Gründen der nationalen Sicherheit.
Die meisten chinesischen Staatsunternehmen haben sich bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten und Transaktionen bisher auf Anwälte und Buchhalter aus dem Ausland verlassen. Das könnte sich nun bald ändern. Hauptgrund sind Sicherheitsbedenken. „Als Rechtsbeistand bei länderübergreifenden Transaktionen befürworten wir die Einstellung von mehr Anwälten, die auf nationaler Ebene erfahren sind – besonders bei den 50 größten Staatsunternehmen wie der China National Petroleum Corporation und der State Grid Corporation of China“, sagt Wang Junfeng, der Vorsitzende des Allchinesischen Anwaltsverbands.
Wie wichtig Staatsunternehmen für die chinesische Wirtschaft sind, zeigt ein Blick auf die Statistik. Allein im vergangenen Jahr haben Chinas Staatsunternehmen offiziellen Angaben zufolge einen Gewinn von 2,4 Billionen Yuan RMB (286 Milliarden Euro) erwirtschaftet. Im Jahr 2012 waren es noch 5,9 Prozent weniger.
„Falls wichtige vertrauliche Geschäftsinformationen an die Öffentlichkeit gelangen, kann das den Firmen irreparablen Schaden zufügen, oder sogar die nationale Wirtschaft und die politische Sicherheit gefährden“, warnt Wang. Viele Staatsunternehmen würden ausländische Anwälte einstellen, weil sie denken, dass sie mit deren Erfahrung und Ansehen leichter Prozesse gewinnen und im Ausland expandieren können, so Wang.
Ein Ende dieses Trends ist laut dem Vorsitzenden des Allchinesischen Anwaltsverbands noch nicht in Sicht. Im Zuge der zunehmenden Globalisierung würden immer mehr chinesische Unternehmen den Schritt ins Ausland wagen oder Fusionen mit ausländischen Firmen eingehen. Für die Abwicklung der damit verbundenen juristischen Prozesse würden sie bevorzugt ausländische Anwälte betrauen. Ein nicht ungefährliches Unterfangen, wie Wang findet: „Chinesische Firmen müssen sich mit einer riesigen Menge an Dokumenten befassen. Einige dieser Dokumente sind streng vertraulich, müssen aber von Juristen überprüft werden, was ein potenzielles Risiko für die wirtschaftliche Sicherheit des Landes darstellt.“
Um dieses Sicherheitsrisiko zu reduzieren, fordert Wang von Staatsunternehmen sowohl bei Investitionen und Geschäftsübernahmen im Ausland als auch in Anti-Dumping- und Kartellverfahren die Zuhilfenahme von chinesischen Juristen. Auf diese Weise würde nicht nur das Risiko für die nationale Sicherheit minimiert, sondern gleichzeitig auch die Entwicklung von Chinas Rechtssektor gefördert.
Der Allchinesische Anwaltsverband seinerseits werde seinen Fortbildungskurs auch im nächsten Jahr weiterführen und mindestens 300 Anwälte ausbilden, sagt Wang. Der Kurs konzentriere sich auf grenzüberschreitende Rechtsfälle wie Investitionen im Ausland, multinationale Fusionen und Übernahmen, den Schutz des geistigen Eigentums, das internationale Wertpapierrecht sowie kartellrechtliche Fragen.
Nach internationalem Recht sind chinesische Firmen, die im Ausland tätig sind, im Falle von Gerichtsverfahren verpflichtet, auf Anwälte aus dem Land zurückzugreifen, in dem das Verfahren stattfindet. Das weiß auch Ariel Ye von der Beijinger Anwaltskanzlei King & Wood Mallesons. Trotzdem begrüßt die Anwältin die zunehmende Einbindung von chinesischen Anwälten in internationale Rechtsfälle. Um Erfahrungen sammeln zu können, sollten chinesische Anwälte bei Gerichtsfällen im Ausland zumindest als Projektleiter oder Aufsichtspersonen beigezogen werden, findet Ye. Zudem sollten junge chinesische Anwälte ihrer Meinung nach „ermutigt werden, an mehr internationalen Seminarien teilzunehmen, um sich mit ihren ausländischen Kollegen austauschen zu können“. Nur so könnten sie „ihre Fähigkeiten verbessern und den Abstand verringern“.