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Ferdinand von Schirach: Der Erfolg in China ist unglaublich berührend

(German.people.cn)
Mittwoch, 20. Februar 2019
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Von Jeffrey Möller, Beijing

Als einer der erfolgreichsten deutschen Autoren ist Ferdinand von Schirach ein Dauergast auf den Bestsellerlisten des Landes. Auch international feiert der ehemalige Strafverteidiger mit seinen Werken Erfolge. People’s Daily Online traf den Schriftsteller bei der Vorstellung der chinesischen Übersetzung seines Buches Der Fall Collini zum Interview.

Eines wurde bei der Buchvorstellung der chinesischen Ausgabe des Romans Der Fall Collini am vergangenen Wochenende schnell deutlich: Ferdinand von Schirachs Werke sind keineswegs ein seichtes Lesevergnügen, sondern regen zu tiefgreifenden Gesprächen über Schuld, Recht und das Böse an - und zwar über nationale und kulturelle Grenzen hinweg.

Auf Einladung des Goethe-Instituts Beijing diskutierte von Schirach mit Institutsleiter Dr. Clemens Treter und dem internationalen Publikum über diese großen Themen, die auch immer wieder Gegenstand seiner Bücher sind. Als weiterer Gesprächspartner war der chinesische Schriftsteller A Yi zu Gast, der vor seiner Autorenkarriere als Polizist tätig war und dessen Werke sich genau wie die seines deutschen Kollegen häufig mit Verbrechen und Motiv befassen.

Für von Schirach war es der erste Besuch in China, bekannt ist der Autor hier jedoch bereits seit längerem. Neben Der Fall Collini sind auch seine Werke Verbrechen und Strafe auf Chinesisch erschienen, zudem wurde sein Theaterstück Terror in der Volksrepublik aufgeführt.

Für die Veranstaltung des Goethe-Instituts hatte von Schirach auf dem Rückweg von der Internationalen Buchmesse in Taiwan einen schnellen Zwischenstopp in Beijing eingelegt. Auch wenn sein kurzer Besuch vor allem aus Aufenthalten in „Hotels, Büros und Interviewräumen“ bestand, zeigte sich der Autor bereits bei seiner Ankunft am Flughafen beeindruckt: „Ich habe noch nie in meinem Leben erlebt, dass Gepäck so schnell auf dem Förderband ankam“.

People’s Daily Online sprach mit dem Bestsellerautor über seinen internationalen Erfolg, was er aus seiner Zeit als Strafverteidiger vermisst und warum er sich unsicher ist, ob sein neues Buch bei den Lesern Anklang finden wird.

Ferdinand von Schirach (r.) spricht mit Medienvertretern. (Foto: Ren Bin / china.org.cn)

Ihre Bücher wurden bislang in mehr als 40 Sprachen übersetzt und in den Medien werden immer wieder Ihre Buchverkaufszahlen in Millionenhöhe hervorgehoben. War die jüngste Veröffentlichung Ihres Romans Der Fall Collini in China noch etwas Besonderes für Sie oder betrachten Sie derart internationale Veröffentlichungen mittlerweile als regulären Teil Ihrer Tätigkeit als Schriftsteller?

Es ist unglaublich berührend. Man sitzt irgendwo an einem Schreibtisch und schreibt etwas, was einen selbst beschäftigt, worüber man nachdenkt und dann wird das auf der anderen Seite der Welt gelesen. Etwas Schöneres gibt es für einen Schriftsteller nicht, diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht.

Wissen Sie dieser Erfolg mit Millionenauflagen, das sagt einem überhaupt nichts, weil es abstrakte Zahlen sind. Mein Verlag schickt mir immer die Verkaufszahlen aus dem Ausland, aber die spielen gar keine Rolle, weil man nicht weiß, was das überhaupt bedeutet.

Dann kriegt man aber einen Brief von einer alten Frau in Argentinien, die vor ihrem Häuschen sitzt und schreibt, dass diese Geschichte sie an ihren verstorbenen Sohn erinnern würde – das sind dann die berührenden Momente. Auch gestern hatten wir beispielsweise eine Lesung in einer Buchhandlung und dann sagt plötzlich jemand etwas über mein Buch. Das ist dann schon sehr berührend.

Die Übersetzungsarbeit eines Buches ist äußerst anspruchsvoll, da es dem Übersetzer unter anderem auch gelingen muss, Aspekte wie den Erzählstil in eine andere Sprache zu übertragen. Stehen Sie während des Übersetzungsprozesses in engem Kontakt mit den jeweiligen Übersetzern oder verlassen Sie sich voll auf deren Arbeit?

Das ist ganz unterschiedlich. In Japan gibt es beispielsweise einen Übersetzer, der ist Hochschullehrer und der schreibt mir zu jeder Übersetzung lange E-Mails. Das ist wahnsinnig anstrengend, da in Japan die Worte verschiedene Bedeutungen haben. Man kann dort nicht einfach sagen „Das ist mein Bruder“, sondern man muss wissen, ob es der ältere oder der jüngere Bruder ist und je nachdem ein anderes Wort verwenden. So kommen zu jedem Buch bestimmt 80 Fragen.

Das ist deshalb ein bisschen anstrengend, weil diese zu übersetzenden Bücher ja nicht das sind, woran ich gerade arbeite. Die Arbeit an dem jeweiligen Buch liegt in der Regel schon einige Zeit zurück und ich muss dann beginnen, neu darüber nachzudenken und es noch einmal nachzulesen. Andere Übersetzer machen das hingegen nicht und transferieren das dann auf andere Weise.

Wie war das bei der chinesischen Übersetzungsarbeit von Der Fall Collini? Standen Sie dort in engem Kontakt mit der Übersetzerin Dr. Jing Bartz?

Nein, das war dort nicht der Fall. Das Buch ist von Dr. Bartz übersetzt worden und es ist die einzige Übersetzung, die sie bisher in ihrem Leben gemacht hat. Sie will auch keine weitere mehr machen. Sie hat sich deshalb dafür entschieden, weil sie das Buch liebt und das ist natürlich die allerallerbeste Voraussetzung.

In Ihrem vorangegangenen Gespräch mit dem chinesischen Autor A Yi sagte dieser, dass er seine frühere Tätigkeit als Polizist vermisse. Geht es Ihnen ähnlich mit dem Beruf des Strafverteidigers?

Nur zu kleinen Teilen. Ich habe diese Tätigkeit schon sehr freiwillig aufgegeben. Was mir manchmal fehlt ist nicht das Drumherum. Die Mandantenbesuche, die Besprechungen, das Führen meiner relativ großen Strafverteidigerkanzlei mit der ganzen Verwaltung, das habe ich alles sehr ungern gemacht. Was ich ein bisschen vermisse, sind die Auftritte vor Gericht. Das habe ich sehr gerne gemacht, beispielsweise die Befragung von Zeugen. Das fehlt mir ein bisschen, aber das ist auch das einzige.

Was können Sie uns über Ihr neues Buch „Kaffee und Zigaretten“ verraten, das am 04. März in Deutschland erscheint?

Das ist ein Buch, das zu großen Teilen autobiographisch und – soweit mir bekannt – auch eine ganz neue Form ist. Das sind unter anderem ganz kurze Geschichten, die zum Teil aus fünf Sätzen bestehen, kleine Beobachtungen. Dann aber auch wieder längere Passagen, zum Beispiel über das Rauchen von Helmut Schmidt, die ersten großen Prozesse von Otto Schily oder über den Tod von Imre Kertész. Allerlei Dinge, die ich erlebt habe und über die ich kurz schreibe. Es gibt beispielsweise auch Passagen über Kunst und über Michael Haneke.

Ich weiß nicht ob es funktioniert. Es ist eine Sammlung von kleinen Geschichten, großen Geschichten, Details. Mein persönlichstes Buch.

Haben diese Beobachtungen, Erzählungen und Notizen eine gewisse Ordnung, die sie zu einem Ganzen zusammenfügen?

Ja, das haben sie schon. Ich bin nicht verrückt (lacht). Es hat schon eine Ordnung, eine Klammer, aber das kann man nicht beschreiben, wenn man das Buch nicht vor sich hat. Wie gesagt, das gibt es so in dieser Art noch nicht und ich weiß überhaupt nicht, ob die Leser das mögen werden. Ich mag es sehr gern. 

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