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Blick in die Vergangenheit: Virtuelle Restaurierungen in Beijing

(German.people.cn)
Mittwoch, 05. April 2017
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Chinas Internetriese Baidu erweckt die Vergangenheit Beijings durch fortschrittliche Technologien zu neuem Leben. Einige verlorene Wahrzeichen der chinesischen Hauptstadt sind dadurch in der Virtualität wiederauferstanden.

In den 1960er Jahren erhielten Stadtplaner nur „anderthalb“ Stadttore. Eines davon ist das Stadttor Zhengyangmen auf Beijings Nord-Süd-Achse am südlichen Ende des Platzes des Himmlischen Friedens, welches im Jahre 1419 erbaut wurde. (Foto: China Daily)

In Beijing lässt sich seit kurzem sehen, wie die ehemaligen Tore der Stadt vor fast 70 Jahren erschienen. Mittels Smartphone lassen sich historische Fotos mit aktuellen Standorten in der modernen Metropole überlagern.

Die verwendete Technologie ist die sogenannte Erweiterte Realität, die es Menschen ermöglicht, ein Objekt mit ihren Smartphones zu erfassen, um eine dreidimensionale Animation der Struktur zu erzeugen, die die tatsächliche Umgebung anschließend überlagert.

Dieser virtuelle Geschichtsunterricht ist die Idee von Li Yingchao, einem 34-jährigen Ingenieur für Erweiterte Realität bei Chinas Suchmaschinenunternehmen Baidu. Die Inspiration dafür stammt jedoch von Miduo, seiner 4-jährigen Tochter.

Eines Tages waren Vater und Tochter in Beijings U-Bahnlinie 2 unterwegs, die dem Verlauf der alten Stadtmauer folgt, als Miduo fragte: „Warum haben so viele Stationen das Wort Tor [Chinesisch: 门, Umschrift: men] in ihrem Namen?“ Die Frage konnte Herr Li nicht so leicht beantworten. Er wusste, dass acht U-Bahn-Stationen nach verschiedenen abgebauten Toren benannt waren, aber er wusste nicht genau warum.

Li Yingchao und seine Tochter Miduo. (Foto: China Daily)

Die alte Stadt

Beijing, Chinas Hauptstadt seit dem 13. Jahrhundert, hatte einst 20 Stadttore. Sie wurden als wichtige Durchlässe für verschiedene soziale Klassen erbaut – darunter die kaiserliche Familie, Zivil- und Militärbeamte, Mitglieder der Öffentlichkeit und sogar Verbrecher – und reglementierten das städtische Kommen und Gehen.

Während der Dynastien Ming (1368 – 1644) und Qing (1644 – 1911) besaß Beijing neun große Stadttore. Sie wurden größtenteils in den 1960er Jahren zusammen mit der alten Stadtmauer abgebaut, um Platz für neue Straßen und U-Bahnen zu machen und um die Metropole zu erweitern.

Historischen Dokumenten zufolge waren die Tore komplizierter, als sie von außen erschienen. Ein Stadttor, das von einem zweistöckigen Turm überragt wurde, bestand in der Regel aus einem Torhaus, einem Bogenschützen-Turm und einem Barbakan, einem der Mauer vorgelagerten Verteidigungswerk.

Die Stadtplaner erhielten nur „anderthalb“ Stadttore, von denen das Stadttor Zhengyangmen auf Beijings Nord-Süd-Achse am südlichen Ende des Platzes des Himmlischen Friedens eines darstellt. Es wurde 1419 erbaut und ist auch als Qianmen, das Vordertor, bekannt.

Seinen Seitenwänden und Barbakanen entledigt wurde das Zhengyangmen mit einem neuen Gesicht wiederhergestellt. Das „halbe Tor“ ist der Wachturm des Deshengmen.

Li Yingchao wurde in der Provinz Shandong in Ostchina geboren und kam im Jahr 2000 nach Beijing, um dort zu studieren. Später fand er einen Job in der Hauptstadt, heiratete und bekam eine Tochter. Er wusste zuerst nur wenig über die Vergangenheit der Stadt.

Er beschloss, die Technik der Augmented Reality (AR), der Erweiterten Realität, zu nutzen, um ein Stadttor zu „bauen“. Li und seine Kollegen verwenden AR ansonsten als Marketinginstrument für Unternehmen wie L'Oreal und Mercedes-Benz.

Mit seiner Idee wandte er sich an sein Team von mehr als 20 Entwicklern, wo sie Anklang fand. Wie Li stammen die meisten von ihnen aus anderen Teilen des Landes. Mit einem Durchschnittsalter von 28 Jahren hatten sie wenig Zeit, die Geschichte ihres neuen Wohnsitzes zu studieren.

Im November luden Li und seine Kollegen Künstler ein, um basierend auf schriftlichen Zeugnissen Bilder der ehemaligen neun Tore zu malen. Diese wurden anschließend in U-Bahn-Stationen an Fahrgäste vergeben, um eine visuelle und klangliche Beschreibung der Orte zu erhalten, die sie beim Pendeln durchquerten. Die Bilder wurden von einem kurzen Kommentar zu den ehemaligen Gebäuden begleitet.

Das Projekt kann nun in der Ausstellungshalle zur Stadtplanung Beijings im Rahmen der Ausstellung „Technologies Awaken City Memories“ besichtigt werden.

„Es [die Erweiterte Realität] hilft Menschen, mehr über die Geschichte der Stadt und ihren Wandel zu erfahren“, so Hu Daxin, stellvertretender Kurator der Ausstellungshalle. „Je mehr man lernt, desto stärker ist das Zugehörigkeitsgefühl.“

Mit der Erweiterung Beijings hat und dem Anstieg seiner Bevölkerung haben sich die Arme der U-Bahn weiter ausgebreitet und verdichtet. Derzeit gibt es 19 Linien, die 574 Kilometer Strecke umfassen. Der Abriss der Stadttore und Mauern zum Bau von U-Bahnen und Straßen ist seit Jahrzehnten ein umstrittenes Thema.

Detailtreue

Als Informationen zur Initiative im Netz geteilt wurden, wurde es zu einem öffentlichen Projekt. „Ich bin in Beijing in den 1940er Jahren geboren und ich habe die Stadttore noch gesehen – diese großen Welterbestätten“, so ein Beitrag auf WeChat, einem Chat-Dienst mit hohem Funktionsumfang. „[Ihr Verschwinden] war ein großer Verlust. Als mein Kind mir von ihrer ‚Wiedererrichtung‘ erzählte, wollte ich es mit eigenen Augen sehen.“

Jedoch kritisierten auch einige Menschen das Projekt, weil es fehlerhafte Informationen verbreiten würde. Die Ingenieure erhielten E-Mails und Kommentare, dass es viele Ungenauigkeiten bei der Darstellung gebe. Als Reaktion darauf wiesen Li und seine Kollegen darauf hin, dass die Gemälde Kunstwerke seien und daher nicht hundertprozentig genau sein können. Die Erklärung wurde jedoch nicht von allen angenommen und ein Kommentar kritisierte: „Fehler werden die Öffentlichkeit irreführen. Man kann mit der Geschichte nicht spielen.“

Li und seine Kollegen erkannten daraufhin, wie ernst das Thema war. „Wir haben eine größere Verantwortung“, so Li. Das Team lud Experten ein, um ihren Erläuterungen zu folgen, und verbrachte Tage in Bibliotheken, um die Geschichte der Stadt zu studieren. Sie testeten ihre Designs weiter und verwendeten Schwarz-Weiß-Fotos der Lokalitäten. „Fotos sind echt, obwohl sie nicht sehr viel heller sind als die Gemälde“, so Li.

Kulturschutz

Lis Projekt ist nicht der erste Versuch, die Stadttore wiederauferstehen zu lassen. Viele Beijinger haben bereits versucht, sie auf verschiedene Weise wieder zum Leben zu erwecken.

Zum Beispiel erstellte ein junger Fotograf eine Reihe von Bildern von den Toren, die zwischen echten Gebäuden und der belebten Zweiten Ringstraße auftauchen. Er überlagerte dazu ein altes Foto der Tore mit einem Bild der heutigen Umgebung.

Ein pensionierter Lehrer malte basierend auf seinen Kindheitserinnerungen Bilder von vielen abgerissenen Gebäuden, einschließlich der Tore. Seine Gemälde fanden Anklang und wurden auch bereits in Museen ausgestellt.

„Ich habe erkannt, dass alle Bürger eine Pflicht dazu haben, das kulturelle Erbe der Stadt zu schützen“, sagte Li. Seine Tochter habe davon ebenfalls profitiert. Sie kenne jetzt die verschiedenen Funktionen aller neun Tore und beschreibe das virtuelle Modell in ihrer Handfläche als „Magie“, so Li.

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