In der Zukunft werden die Schüler in den Klassenzimmern nicht mehr mit Kugelschreiber und Papier ausgerüstet sein. Stattdessen werden sie Headsets tragen, und anstatt das Aufgeschriebene zu lernen, werden die Schüler dazu aufgefordert, selbst Hand an ihre Studienobjekte zu legen.

Die Versuche sind zwar noch in einem frühen Entwicklungsstadium, doch die Schulen in China untersuchen bereits, wie sie Lektionen mit Virtueller Realität (VR) im Unterricht einsetzen können. Eine Unterrichtseinheit wurde beispielsweise vom Spieleentwickler NetDragon entwickelt. Dabei wird VR eingesetzt, um den Kindern die Feuersicherheit näher zu bringen. Schüler werden in eine simulierte Umgebung katapultiert, wo ein Feuer ausgebrochen ist. Sie müssen über einen Boden krabbeln und Hindernisse wie Tische und Stühle vermeiden, um zu entkommen.

Unterrichtsmaterialien mit Virtueller Realität richten sich nicht nur an die Schulkinder. Bei einer VR Medizinschule an der Sichuan University gibt es ein virtuelles Anatomie-System. Dieses erlaubt es den Studenten, Organe und Nervenbahnen zu studieren und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Sie können sogar Organe für eine nähere Inspektion isolieren. Ein virtuelles Skalpell befindet sich gegenwärtig noch in der Entwicklung. Das würde bedeuten, dass Schüler ihre operativen Fähigkeiten trainieren können, ohne dabei auf einen echten, menschlichen Körper zurückgreifen zu müssen. Der VR-Sektor hat ein großes Potenzial und eine steigende Anzahl von chinesischen Entwicklern untersuchen, wie sie die Technologie als Bildungsmaterial verwenden können.

Simon Leung, der Vize-Vorstand von NetDragon sagte, die Firma hätte dreidimensionale Klassenzimmer entwickelt sowie Tablet-Computer, welche Schüler in eine digitale Welt hineinziehen, die auf ihrem Lehrplan basiert. Diese virtuelle Umgebung ist dreidimensional und mit einem 360-Grad Winkel versehen. Darüber hinaus könnten die VR-Headsets dank Bewegungssensoren sagen, ob die Kinder sich auf das aktuelle Thema konzentrieren, sagte Leung. New Oriental, eine private Bildungseinrichtung hat sich im letzten Dezember mit dem chinesischen Online-Videoanbieter LeEco zusammengetan, um „Chinas ersten VR-Kurs“ zu entwickeln. VRschool, eine Firma aus Beijing, hat „ein dreidimensionales Bildungssystem entwickelt, das bereits in zehn Schulen eingesetzt wird. Longtu Education hat seine Ursprünge in der Spiele-Industrie. Die Firma erwartet, demnächst Kurse anzubieten, um die Lehrer und Instruktoren mit Möglichkeiten auszustatten, damit sie VR in ihren Unterrichtseinheiten einsetzen können.

Obwohl die Begeisterung unübersehbar ist, steckt der Sektor immer noch in den Kinderschuhen. Die Hardware befindet sich noch in der Entwicklungsphase und der Mangel an Content hält die Entwickler zurück. Tan Zheng, der Vorsitzende des VR-Hardware Produzenten ANTVR sagte, dass es zwar eine steigende Anzahl von chinesischen VR-Firmen gäbe. Doch es gäbe einen Mangel an Kerntechnologie und starken Markennamen. Huang Ronghuai ist ein Professor am Smart Learning Institute an der Beijing Normal University. Er sagte: „Gegenwärtig ist der Content noch limitiert. Es gibt momentan auch noch keine ‚systematischen VR-Lehrbücher‘, und daher sind die gegenwärtigen VR-Lektionen nicht viel mehr als Testläufe.“

Obwohl chinesische Eltern oft gewillt sind, ihren Kindern den Gebrauch der neuesten Technologie zu gestatten, damit sie auf der Höhe der Zeit sind, sind viele gegenüber der Virtuellen Realität doch skeptisch. Sie sind sich nicht sicher, ob diese Technologie nicht auch gewisse negative Nebeneffekte haben könnte. Darüber hinaus ist auch die Ausrüstung ausgesprochen kostspielig. Ein hochwertiges VR-Headset und ein entsprechender Computer können mehr als 10.000 Yuan kosten. „Es muss noch mehr getan werden, um die Technologie zu entwickeln, die weniger kostet und dem Nutzer dafür bessere Erfahrungen bietet. Wir sind immer noch optimistisch, dass wir das gegenwärtige Bildungssystem tatsächlich verändern können“, sagte Huang.